Beamtenrache im Bund der Steuerzahler

■ Der Verband schaut der Regierung ganz genau auf die Finger. Seine Mitglieder kommen überwiegend aus dem Mittelstand

Berlin (taz) – Am liebsten sind Dieter Lau die Staatsdiener. Sie haben Zugang zu allerlei geheimen Informationen und Abrechnungen, leiden oft unter der Missachtung ihrer Arbeit und sind dem entsprechend frustriert. „Von denen bekommen wir hervorragende Hinweise“, sagt Lau, stellvertretender Präsident des Bundes der Steuerzahler. Die Staatsangestellten weisen den Bund auf die Machenschaften, manchmal auch nur Unachtsamkeiten von Städten, Landesregierungen oder der Bundesregierung hin.

Da ist das überteuert gekaufte Grundstück einer Stadtverwaltung, das daraufhin jahrelang brach liegt. Oder die niedersächsische Gemeinde Lemwerder, die für 2,6 Millionen Mark eine 1,2 Kilometer lange Straße zu einem Unternehmen bauen will, das die Straße gar nicht braucht. Dann gibt es die überteuerten Provisionszahlungen an Frankfurter Operndirektoren, die landläufigen Gefälligkeitsgutachten, das leider baufällige Haus, das die Regierung von Oberbayern überstürzt für fünf Jahre anmietete und nicht beziehen konnte. Staatliche Verschwendung kennt keine Grenzen. Sie reicht von Pfennigbeträgen für überteuertes Büromaterial in Amtsstuben bis zu Millionen für staatliche Bauaufträge. Dem Bund der Steuerzahler ist jede Verschwendung in gleichem Maße unrecht. Deswegen kennen die hauptberuflich dort arbeitenden Wächter auch keine politischen Grenzen. „Wir sind immer Opposition“, sagt Lau, der auch die brisanten staatlichen Milliardenprojekte wie den Transrapid oder die Expo 2000 „kritisch“ sieht. Nur unabhängig von politischen Interessen könne er die Ziele seines Verbandes durchsetzen: Schulden vermeiden, Steuern senken. Denn wie das Motto des Vereins verkündet, sind „die Schulden von heute die Steuern von morgen“.

Der Schuldenstand ist dynamisch: Pro Sekunde wächst er um 2.473 Mark. Jedem Bürger, vom Säugling bis zum Greis, hat der Staat 29.000 Mark Schulden aufgebürdet. Anschaulich bereitet der Bund der Steuerzahler die Schulden in seiner Schuldenuhr im Internet auf, die unaufhörlich läuft. Der digitale Auftritt im Netz ist aber auch das höchste an Modernität, was sich der Verband leistet. In seinen Publikationen und der Mitgliederzeitschrift pflegt er ein konservativ-liberales Image. Das mag den 420.000 Mitgliedern, vornehmlich mittelständische Unternehmer, Selbständige und Staatsbedienstete, entgegenkommen.

Gegründet hat sich der Verband 1949 in Stuttgart. Vor der NS-Diktatur hatten bereits der Berliner Bankier Jakob Goldschmidt und einige Industrielle – unter ihnen auch Gustav Krupp von Bohlen und Halbach – versucht, eine nicht staatliche Kontrollinstanz zu etablieren. Sie scheiterte an den politischen Verhältnissen im Zuge der Wirtschaftskrise und letztlich am Nazi-Regime. In der neuen Bundesrepublik sollte alles anders werden, und so hatten auch Wächter über die Ausgabenwut der Regierungen eine Chance. Die Amerikaner unterstützten zudem den Bund der Steuerzahler, schließlich reicht die Steuerzahlerbewegung in Nordamerika in die Zeit vor Gründung der USA zurück. Ulrike Fokken