Für einen Soldaten zahlen die Banditen nur 50 Dollar

■ Die diversen Geldquellen der Islamisten: Geiselnahme, Erpressung und Erdöl

Moskau (taz) – In den letzten beiden Jahren verwandelten Islamisten aus Tschetschenien die Bergwelt im Westen Dagestans in eine raffinierte, hoch technisierte Festung. Spätestens jetzt wurde auch klar: Auf Seiten des tschetschenischen Feldkommandeurs Schamil Bassajew und des Terroristenausbilders Hattab (er selbst bezeichnet sich bald als Jordanier, bald als Saudi ) kämpfen Söldner aus der gesamten islamischen Welt. Wer die Armut der Menschen in dem Berg- und Zwergstaat kennt, fragt sich: Woher nehmen die Rebellen das Geld für ihre militärische Ausrüstung? Die Antwort lautet: Vor allem aus Russland.

Vor dem Krieg lebten in der Kaukasusrepublik rund eine Million Tschetschenen, heute sind es noch 300.000. Allein in Moskau sind es 50.000. Hier sind alle sozialen Schichten vertreten, auch gibt es viele sehr Reiche. Die tschetschenischen Mafiabanden in den russischen Großstädten fordern von ihnen Tribut, von dem Geld werden bei bei korrupten russischen Militärs Waffen gekauft.

Die sogenannten Wahhabiten in Dagestan waren mit nachweislich erst in diesem Jahr in Russland produzierten Waffen ausgerüstet. Die Zentralregierung in Moskau schwört, bis in die jüngste Zeit auch ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Tschetschenien erfüllt und im ersten Halbjahr 1999 knapp fünf Millionen Dollar für soziale Ausgaben gezahlt zu haben. Ein großer Teil dieser Gelder sei, so Moskau, zweckentfremdet worden. Fest steht: Von dem Erdöl, das per Vertrag mit Russland aus dem aserbaidschanischen Baku über Tschetschenien in den Schwarzmeerhafen Noworossijsk gepumpt werden sollte, kamen dort nur einige schwarze Tröpfchen an, der Rest wurde unterwegs abgezapft.

Weltweit berüchtigt ist die kleine Republik durch ihren Handel mit Geiseln. In diesem Jahr wurden bisher in den Grenzgebieten zu Tschetschenien 190 Zivilpersonen entführt, dazu kommen 80 Soldaten, von denen allerdings viele von ihren korrupten Kameraden verkauft wurden. In solchen Fällen zahlen die tschetschenischen Banditen etwa 50 Dollar pro Mensch und fordern später ihrerseits zwischen 20.000 und 50.000 Dollar. Ein Befreier vieler Geiseln ist der russische Oligarch Boris Beresowski. Dabei soll er jedoch die direkte Zahlung von Lösegeldern vermieden haben. Stattdessen sandte er zwei Millionen Dollar pauschal an Bassajew, als dieser tschetschenischer Premier war – für den Ausbau des Telefonnetzes und für Computer.

Die Überfälle auf Dagestan dagegen würden – so heißt es in Tschetschenien – von pakistanischen Fundamentalisten bezahlt. Am 22. September berichtete der stellvertretende russische Innenminister Igor Subow der Presse von einem Gipfeltreffen islamistisch-fundamentalistischer Terroristen in Karatschi in diesem Monat. Dort habe man beschlossen, die Fortsetzung der Invasion tschetschenischer Banditen in Dagestan mit 30 Millionen Dollar zu finanzieren. Weitere 20 Millionen seien von Jordanien gespendet worden. Beigewohnt hätten der Tagung alle tschetschenischen Feldkommandeure und als Ehrengast der welteit gesuchte Terrorist Usama Bin Laden.

Auf jeden Fall kommt der aktuelle Konflikt um Tschetschenien einigen arabischen Ölstaaten gelegen. Ruhe im Nordkaukasus würde für sie einen beträchtlichen Geldverlust zur Folge haben. Denn dann könnte endlich die Ölpipeline aus der Kaukasusregion nach Westeuropa gebaut werden, das russische Erdöl wäre so mit dem arabischen konkurrenzfähig. Barbara Kerneck