Teufelskreis Sucht

■ Fachleute aus ganz Deutschland diskutierten in Bremen über Wege, Suchtkranke wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern / Frauen in besonders schwieriger Situation

Trotz verschiedener Suchtberatungsstellen und diverser Hilfsangebote finden Alkohol- und Drogenabhängige bisher kaum einen Arbeitsplatz. Denn spezielle Wiedereingliederungsprojekte in den Arbeitsmarkt gibt es für sie kaum. Eine Tagung im Bremer Zentralkrankenhaus widmet sich gestern und heute genau diesem Thema. Rund 200 Fachleuten aus Suchtberatungsstellen und Initiativen diskutieren über Maßnahmen, Suchtkranke im Arbeitsmarkt zu intergrieren.

Bundesweit gebe es etwa 4,4 Millionen Alkoholkranke, die behandlungsbedürftig sind. Weitere 250.000 seien von illegalen Drogen abhängig, sagt das Bremer Gesundheitsressort. Diese auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln – bei der ohnehin schlechten Arbeitsplatzsituation – würde immer schwieriger. „Ein Teufelkreis“, weiß Frithjof Sahnwaldt, Suchthilfekoordinator im Bremerhavener Gesundheitsamt. Denn durch Arbeitslosigkeit verschlimmere sich die Abhängigkeit. Das Arbeits-und Gesundheits-ressort und auch die Suchtklinik des Zentralkrankenhauses Bremen-Ost (ZKH) wollen die einzelnen Institute enger mit dem Arbeitsamt vernetzen. Bisher arbeitete jeder für sich, sagen die meisten Referenten: integrierende Projekte – wie es sie beispielsweise für psychisch Kranke in Werkstätten gibt – seien bis dato nicht geschaffen worden.

Gerade im Rehabilitationsprozess gebe es deshalb bei Suchtkranken viele Brüche, meint auch der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des ZKH, Armand Hingsammer: „Werden Abhängige wieder rückfällig, fallen sie aus den Programmen sofort wieder heraus.“ Ob alkohol- oder drogenkrank, der erste Schritt zur Abstinenz muss schon vollzogen sein, um überhaupt wieder eine Beschäftigung zu erhalten. „Es müsste für die Betroffenen durchgängig ein Ansprechpartner zur Verfügung stehen, der sie auf den verschiedenen Ebenen begleitet.“ Für eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess sei dies, so Hingsammer, unbedingt notwendig. Außerdem müssten die Bundesanstalt für Arbeit, die Krankenversicherungen, die Rententräger und die sozialen Dienste miteinander kooperieren.

Allerdings solle man sich auch von der Idee freimachen, jeder Abhängige könne irgendwann wieder einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen. „Bei vielen ist das einfach nicht mehr möglich“, weiß Professorin Irmgard Vogt von der Fachhochschule Frankfurt/Main. Besonders bei den chronisch Suchtkranken sei dies schwierig. Dennoch müsste man auch für diese Gruppe Beschäftigungsinitiativen schaffen. Beispielsweise in geschützten Werkstätten, meint Vogt, könne man neue Perspektiven entwickeln. „Arbeit ist ebenfalls ein Teil der Rehabilitation.“

Vogt beschäftigt sich vor allem mit der Situation von alkohol- und drogenabhängigen Frauen, die es „besonders schwer“ hätten. Alkoholabhängige Frauen seien im Durchschnitt relativ alt, was ihnen den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben extrem erschwert. Auffällig sei außerdem, dass viele von ihnen krebskrank seien. Damit verschlechtern sich die Chancen auf einen Job abermals. Bei Drogenabhängigen sei dies anders: Hier seien viele der Frauen beruflich besser qualifiziert. Damit hätten sie es bei der Wiedereingliederung oft leichter.

Insgesamt plädierten die Referenten für mehr Akzeptanz im Umgang mit Alkohol- und Drogenabhängigen. Integration statt Ausgrenzung sei der einzig mögliche Weg für Abhängige zurück in die Gesellschaft, meinen Veranstalter und Referenten. san