Der böse Fleischwolf

■ Keine Mösenbilder in der Zionskirche: Manchmal ist Zensur ganz unterhaltsam

Am 3. September wurde die Kunstausstellung „Gate to Berlin“ in der Zionskirche eröffnet. 13 Künstler zeigten etwa 50 Arbeiten, man gab sich recht ambitioniert und passte mit Webcam und überteuerter Cocktailbar ganz gut zu den anderen Art-Events, die in Berlin so rumrennen. Doch die Zusammenarbeit zwischen der Kirche und den Ausstellungsmachern lief dann doch nicht so gut. Es gab Ärger entlang den klassischen Konfliktlinien: Gottesdienstbesucher beschwerten sich zum Beispiel über Bilder des Amsterdamer Künstler Chack, der in einer Collage Mösen und Fleischstückchen kombiniert hatte, und monierten eine nackte Frauenfigur, die sich in einer Miesmuschel von einem Hund lecken ließ.

Es kam, wie's kommen musste. Zwei Wochen nach der Ausstellungseröffnung bat Markus Bräuer, Pfarrer der Zionskirchengemeinde, darum, die anstößigen Arbeiten zu entfernen. Als nichts geschah, hängte er die Werke eigenhändig ab. Die Veranstalter riefen laut: „Zensur!“ und luden für Dienstagabend zu einem Podiumsgespräch ein, auf der – ohne kirchliche Teilnehmer – über die Freiheit der Kunst gesprochen werden solte.

Am Dienstagabend standen Boris Leeser, der Ausstellungsmacher, Frank Schubert und einige andere vor der Zionskirche und sagten, die Kirche hätte die Veranstaltung unter Hinweis auf diverse Vertragspassagen untersagt. Dann zeigte Boris Leeser den interessierten Journalisten die inkriminierten Bilder und betonte, dass sie mitnichten „pornografisch“ oder „blasphemisch“ seien, sondern eher pornografiekritisch. Später kamen noch vier Mitglieder des Bezirksausschusses der Zionskirche vorbei und sagten, den Ausstellungsmachern gehe es doch nur darum, ihre bislang eher erfolglose Ausstellung interessanter zu machen: Sie würden sich darüber freuen, wenn man über die ganze Geschichte nicht berichten würde. Im November würden sie dann gerne eine öffentliche Diskussion machen. Das wäre besser. Dann gingen sie wieder.

Boris Leeser, der die Kirche für 4.000 Mark und 3,5% Umsatzbeteiligung gemietet hatte, will nun die Zionskirche verklagen wg. Geschäftsschädigung usw.: „Tausende gingen verloren.“ Es hätte Kaufinteressenten für die bösen Bilder gegeben. Umsatzeinbußen hätte es auch gegeben, weil Kirche und Ausstellung – anders als der Pfarrer ihnen zugesichert hatte – am Tag des offenen Denkmals eintrittslos zugänglich gewesen war. Die hätten wohl allzusehr auf die „paar Mark für ihre Renovierungskasse“ geschaut und dabei übersehen, was sie sich eigentlich einhandelten. Was da hängen würde, hätte man der Gemeinde schon vor der Ausstellung gezeigt – z. B. ein Bild, auf dem ein Pärchen kopuliert und hinterher in den Fleischwolf kommt: „Ich war damals sehr erstaunt, als sie gesagt haben, sie machen das.“ Wahrscheinlich waren die Verantwortlichen doch etwas naiv. Was ja durchaus auch sympathisch ist. Detlef Kuhlbrodt