■ Die Labour Party ist mittlerweile zu besseren Tories geworden
: Die Mär von Tony Blair

Tony Blair hat seine Halbzeitrede gehalten. Seit zweieinhalb Jahren zeigt er, dass er der eigentliche Nachfolger Maggie Thatchers ist. Der einzige Unterschied ist, wie könnte es bei Blair anders sein, ein uncharmanter und billiger: Blair sieht besser aus als Thatcher. Kunststück. Sonst hat er alles gelernt beim Eisernen Pferd. Zu seinen Briten spricht er mal als autoritärer Vater, dann wieder schlüpft er in die Rolle einer kosovarischen Mutter, um die Landeskinder patriotisch zu packen. Blair kennt sich selbst gut genug, um dem Verstand keine Chance zu geben. Wenn er spricht, spricht die Emotion.

Wenn man politischen Kitt braucht, sucht man sich Feinde. Blair bedient sich zweier Gruppen, die er nach Belieben als virtuelle Sparringspartner aus dem Hut zaubern kann: die matten Tories und die Labour-Linken, die er allerdings reichlich aufblasen muss, damit es noch heroisch wirkt, wenn er auf sie eindrischt. In diesen Gesten präsentiert er sich als der große Modernisierer, als Mann der Neuen Mitte, einer Gruppe, die real zwar allenfalls 15 Prozent der Bevölkerung ausmacht, aber bereit ist, ihre neu erhaltenen Privilegien höchst aggressiv zu verteidigen, und deshalb auch für viele attraktiv erscheint, die gerne dabei wären.

Seine Rede klingt so choreografiert, wie sie auch ist: Seine PR-Schreiber streuten ein paar Designer-Schlagworte – Feminismus, Antirassismus, sexuelle Freiheit – fürs Gefühl ein, ohne seine Neue Mitte zu verschrecken. Für die gab es das manikürte Loblied auf die Ideologiefreiheit der neuen Labour Party und die Ankündigung neuer nationaler moralischer Ziele.

Blairs Partei ist eine disziplinierte, effektive politische Maschine. Der Chef macht Schaulaufen, und 3.000 Delegierte sind Staffage und nicken froh. Dass sie nicht mehr debattieren dürfen, verkauft ihnen Blair als moderne Kommunikation. Auch den Arbeitslosen in der Partei hat der Premierminister etwas zu bieten: Hunderte verkaufen auf dem Parteitag Labour-Devotionalien wie Teetassen, Krawatten und Süßigkeiten. Auf- und abblasbare Tony-Blair-Puppen soll es aber erst geben, wenn Labour zum ersten Mal in seiner hundertjährigen Geschichte eine zweite Amtszeit schafft.

Blairs Chancen dafür stehen gut, weil er Labour zu den besseren Tories gemacht hat. Er führt seine Partei mit Sekundärtugenden, die den WählerInnen offenbar wichtiger sind als die Richtung, in die es geht. Wiglaf Droste / Ralf Sotscheck