„Die SPD versteht nur die Machtfrage“

■  Der Sozialdemokrat Uwe Hiksch verlässt Partei und Fraktion – und wird zur PDS wechseln. Für ihn ist die SPD keine linke Volkspartei mehr, sondern eine Partei der Mitte, die sich nicht mehr um die Interessen der „kleinen Leute“ kümmert

taz: Fehlte Ihnen die Kraft, sich in der SPD durchzusetzen?

Uwe Hiksch: Das ist keine Frage von Kraft. Vielmehr hat die Sozialdemokratie durch ihre Führungsspitze und leider auch durch einen Teil der mittleren Funktionärsebene entschieden, von einer linken Volkspartei zu einer Partei der Mitte zu mutieren. Dieser Prozess ist schon ziemlich weit fortgeschritten. Ich bin aber überzeugt vom demokratischen Sozialismus, bin links und bleibe links. Das Berliner Programm und seine Inhalte sind und bleiben für mich politische Richtschnur.

Was ist an der SPD nicht mehr links?

Ich vermisse die Interessenvertretung der sogenannten „kleinen Leute“ – Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, auch kleine Selbstständige. Die SPD macht mittlerweile – auch mit dem Sparpaket – eine Politik, die sich vor allem an den Gutverdienenden orientiert und die Kosten dafür auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Kommunen und sozial Schwächeren verlagert.

Woran machen Sie das fest?

Ich nenne nur die Streichung bei der Arbeitslosenhilfe und das Aussetzen eines Wahlversprechens, nämlich dass wir wieder zu einer nettolohnorientierten Rente zurückkehren würden. Das ist nicht mehr die Sozialdemokratie, in die ich eingetreten bin.

In der SPD sind mehr „kleine“ Mandatsleut' als anderswo.

Es geht mir nicht um Kritik an einzelnen Genossen oder Genossinnen. In der SPD gibt es ein hervorragendes linkes Potenzial, das zur Zeit leider keine Durchsetzungschance hat. Es tut mir auch Leid, dass ich die Genossen vom linken Flügel im Stich lasse – wer geht, lässt die anderen im Stich. Aber ich persönlich habe die Hoffnung an ein sozialdemokratisches Projekt in der SPD leider verloren.

Was war der Auslöser?

Den gibt es so nicht. Diese Überzeugung wächst bei mir seit vielen Monaten. Ich habe neben meiner Partei gestanden, als sie sich für den Krieg im Kosovo entschieden hat. Ich kann Äußerungen nicht begreifen, die dafür plädieren, die Löhne zwei Jahre nicht zu erhöhen oder immer wieder zu sagen, die Zeit der Umverteilung sei vorbei. Damit erfüllt die SPD nicht die Hoffnungen, die sie im Wahlkampf den Menschen gemacht hat und weswegen sie auch gewonnen hat. Ich aber möchte helfen, dass diese Leute wieder eine politische Heimat haben.

Dafür wollen Sie in die PDS?

Ich werde diesen Versuch unternehmen. Ich habe schon ein Gespräch mit Gysi geführt, ob ich in der PDS ein politisches Betätigungsfeld finden kann. Ich werde mich auch noch mit der Fraktion treffen, um über unterschiedliche politische Perspektiven und Inhalte zu diskutieren. Wenn sich dabei zeigt, dass ich linke sozialdemokratische Politik in der PDS vertreten kann, werde ich das tun.

Ihr SPD-Parteibuch haben Sie schon zurückgegeben?

Ja. Das war ein schlimmes Gefühl. Für mich war die SPD mehr als eine Partei. Ich bin in die SPD hinein geboren. Ich habe meine gesamte Freizeit in die SPD gesteckt. Aber ich werde weiter dafür kämpfen, dass die traditionellen Werte und Inhalte der Sozialdemokratie bestehen bleiben. Leider kann ich das nicht mehr in der SPD tun, sondern in einer neuen Partei, wo ich mithelfen will, dass diese Tradition ein Sprachrohr bekommt.

In der PDS hoffen Sie die bessere SPD zu finden?

Die PDS ist eine Partei, die explizit linke Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerpolitik vertreten möchte. Sie sieht die „neue Mitte“ nicht als ideologische oder theoretische Möglichkeit. Gerade aber die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen brauchen ein Sprachrohr. Die PDS ist keine sozialdemokratische Partei, aber sie kann linken Sozialdemokraten eine politische Heimat bieten.

Sie fühlen sich heimatlos?

Ich habe in den vergangenen Wochen erfahren müssen, dass die solidarische Kritik innerhalb der SPD fast nichts bewirkt hat. Einige Führungsleute der SPD verstehen nur die Machtfrage. Vielleicht wird die SPD ja wieder eine linke Volkspartei, wenn sie merkt, dass auf der Linken eine ernst zu nehmende, auch im Westen immer mehr Wählerinnen und Wähler ansprechende Partei entsteht. Ich glaube, dass die PDS in Westdeutschland sehr schnell zehn Prozent der Stimmen erreichen kann. Mit Menschen, die fortschrittliche sozialdemokratische Politik wollen. Denen möchte ich mit meinem Austritt auch ein Signal geben. Interview: Karin Nink