Viel Lärm um nichts

■  Abgaswerte und Lärm von Motorrädern werden kaum kontrolliert. Umweltministerium untersucht diesen Missstand seit 1997. Das Ergebnis: Motorräder sind laut und stinkig

Berlin (taz) – Von ihren Besitzern heiß geliebt, sind Motorräder bei den anderen Verkehrsteilnehmern, bei Naturfreunden, Kurgästen, Anwohnern von befahrenen Straßen nicht selten verhasst: Ihnen sind sie zu laut, zu aggressiv, zu stinkig.

Neu ist dieses Problem nicht: 1937 wurden erstmals in Deutschland Geräuschgrenzwerte für Motorräder festgelegt. Dann geschah 42 Jahre lang nichts, und erst 1979 verabschiedete die Europäische Gemeinschaft Schadstoffgrenzwerte für Krafträder: Die „ECE-Regelung R 40“ sah Grenzwerte für Kohlenstoffdioxid (CO2) und Kohlenwasserstoffe (HC) in den EG-Ländern vor. Für die kleineren Mopeds wurden 1981 Abgasgrenzwerte vereinbart. Beide Regelungen waren allerdings freiwillig. Deutschland hat sie erst 1983 beziehungsweise 1986 eingeführt. Verbindlich für Fahrzeugzulassung wurden sie erst 1989. Beide Abgaswerte bleiben jedoch hinter den Grenzwerten für Autos weit zurück.

Serienmäßige Katalysatoren, Abgasgrenzwerte für Autos und Lastwagen – zwei Jahrzehnte Bemühungen für einen umweltverträglicheren Verkehr ließen das Motorrad unberührt. Dass „bei den Regelungen zu Schadstoff- und Lärmemissionen von Motorrädern dringender Nachholbedarf besteht“, hat auch das Bundesumweltministerium erkannt und 1997 die Projektgruppe „Motorrad und Umwelt“ mit einer Untersuchung beauftragt. In der Gruppe saßen Vertreter des Umwelt-, Verkehrs- und Wirtschaftsministeriums, der Umwelt-und Touristikverbände und der Motorradindustrie neben Verkehrsexperten. Sie tagten viermal. Dann trat im Mai 1998 die Motorradindustrie aus. Die Kritik an den Zweirädern sei ideologisch und zu wenig fachlich, fanden die Industrieverteter, es werde mit veralteten Daten gearbeitet und die Interessen der Motorradfahrer würden zu wenig berücksichtigt. „Das ist keine Studie, sondern ein subjektiver Statusbericht, wie Motorräder von den anderen Verkehrsteilnehmern empfunden werden“, kritisiert Wolfgang Berke vom Industrieverband Motorrad (IVM).

Die rot-grüne Bundesregierung holte die Motorradfahrer dann mit einem Kompromiss zurück: „Wir haben die Motorradlobby unkommentiert zu Wort kommen lassen und damit die Studie auch als Diskussion dargestellt“, sagt Gila Altmann, Staatssekretärin im Umweltministerium und selbst Motorradfahrerin.

So wird in der Einleitung der gestern endlich vorgestelltenStudie behauptet, „dass die wenigen motorisierten Zweiräder an einem heißen Sommertag etwa so viel Kohlenwasserstoffe emittieren wie die gesamte Flotte der Pkw mit geregeltem Katalysator.“ Dem hält die Motorradgruppe in einer der in den Text eingefügten Stellungnahmen entgegen, es sei belegt, „dass im Jahresdurchschnitt die Gesamtheit aller Pkw mit 76 Prozent an den Wasserstoffemissionen beteiligt sind, motorisierte Zweiräder aber nur mit neun Prozent“.

Die als „Dokumentation Motorrad und Umwelt“ bezeichnete Broschüre kritisiert, dass die Abgaswerte für motorisierte Zweiräder den Pkw-Grenzwert für Kohlenwasserstoff „Euro 4“ um 30- bis 100-mal übersteigen. Immerhin stoßen die 3,2 Millionen Motorräder in Deutschland 10 Prozent der Kohlenwasserstoffe des gesamten Verkehrs aus. „Die Schadstoff- und Lärmminderung ist auf europäischer Ebene weiterzuentwickeln. In beiden Bereichen bedarf es der Einführung verbesserter Messverfahren“, fordern die Herausgeber. Auch müssten die Abgase der Krafträder, genauso wie bei Autos, regelmäßig untersucht werden.

Darüber hinaus verlangt der IVM, bei Verkehrskontrollen auch den Lärm zu messen. „So wie in Holland: Da steht die Polizei mit dem Messgerät an der Straße“, sagt Berke. Nur so könnten die Maschinen mit manipulierten Auspuffen geschnappt werden. „Die ziehen unser Image runter“, sagt Berke. Wichtig sei aber auch ein europaweites Verkaufsverbot solcher manipulierter Anlagen.

Die Dokumentation fordert außerdem „verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zur Erzielung eines umweltfreundlicheren Verhaltens“. Gerade beim Motorrad sei die Lärmentwicklung stark vom Verhalten des Fahrers abhängig, der „besonders attraktive, also kurvige, gebirgige Strecken in ruhigen Landschaften wählt“.

Auch zum Vorwurf der überdurchschnittlichen Lärmbelästigung gibt die Motorradgruppe eine Stellungsnahme ab: „Die Geräuschwerte des Motorrades werden objektiv von leistungsstarken Lastwagen übertroffen. Subjektiv führt der Nutzeffekt des LKW aber zu einer Akzeptanz des Lärms.“ Ähnlich sei es auch beim Auto: Der Lärm gehöre eben dazu, deshalb nehme man den Krach hin. Motorradfahren hingegen sei „reines Vergnügen“. Berke sieht das anders: „Mich stören laute Laster mehr. So einen Motorradmotor, der richtig gut klingt, finde ich angenehm.“ Katharina Koufen