Alltäglicher Bahn-Stress

■ Geisterzüge, die im Plan stehen, aber nicht kommen; Stellwerker, die Probleme machen; Güterzüge, die Gleise lahm legen: Angeschmiert sind die BahnnutzerInnen

Der entgleiste Güterzug sorgte gestern auch in Bremen für Aufregung. Die Strecke Hamburg-Bremen-Hannover war für Stunden völlig lahm gelegt, nachdem am Mittwochabend ein defektes Achslager drei Güterwaggons bei Lüneburg hopps springen ließ.

Schwellen und Gleise wurden auf sechs Kilometern schwer ramponiert. Die Verkehrsprognosen zwischen Hamburg und Hannover sind deshalb wenig rosig: Tagelang werden die Bauarbeiten für Verspätung im ICE-Verkehr sorgen, erklärte die Bahn AG. Durschnittlich muss man mit 20 Minuten Wartezeit rechnen.

Warten – das kennt Ute Nakath vom Bremer Bahnhof eigentlich nicht anders. Auch ohne Güterzug-Entgleisung. Seit sieben Jahren pendelt sie täglich von Bremen nach Bremerhaven. Verspätung, besonders seit dem Umbau am Bahnhof, sind für sie Alltag. Die Unregelmäßigkeit im Fahrplan ist bei der Bahn längst zur ärgerlichen Regelmäßigkeit geworden.

Für Verspätungen gibt es selten eine Erklärung vom Zugpersonal. „Man wird einfach nicht informiert“, ärgert sich Ute Nakath. „Ich frage mich, wofür ich das viele Geld bezahle“. Über dem täglichen Pendler-Frust mit der DB ist Matthias Höllings schon zum Stoiker geworden. Nur bei der Umstellung der Signal- und Weichentechnik vor zwei Wochen lief schlicht gar nichts mehr. „Das war gar nicht witzig“, klagt er. 37 Züge sollen ganz ausgefallen sein, andere mussten zwei Stunden warten, wieder andere wurden von einem Gleis zum anderen gescheucht. Die Bahn räumt ein, dass es Mitte September zu ganz erheblichen Ausfällen und Teilausfällen gekommen sei. Wieviele genau, ließ sich gestern nicht klären. Das Stress-Inferno lag am elektronischen Stellwerk Hannover, von wo aus jetzt alles geregelt werden soll. Aber in Hannover bekamen die Fahrdienstleiter im Stellwerk anfangs gar nichts geregelt. Als Trost für die Pannen in Bremen gab es vorletzten Freitag 10.000 Rosen. „Mit dieser Aktion wollen wir um Verständnis bitten“, entschuldigte sich die Bahn. Aber auch an diesem Tag blieben die Beschenkten nicht von Verspätungen verschont.

Bislang meinte man sich wenigstens auf die Fahrpläne verlassen zu können. Aber nichts da. Im kleinen Pocket-Faltplan des Verkehrsverbund Bremen Niedersachsen (VBN) wimmelte es von Fehlern: Phantomzüge, Geisterzüge, falsche Zeiten.

Zum Beispiel der SE 24521. Der sollte um 14.14 Uhr von Cuxhaven nach Bremerhaven fahren. Und das täglich. Zumindest laut Falt-Fahrplan „gültig ab 30. Mai 1999“.

Aber der Bahnsteig ist verdächtig leer. Kein Zug zu sehen. Keine Durchsagen. 10 Minuten nach der offiziellen Abfahrtszeit immer noch nichts. Wie kann das sein?

Den Zug gibt es schlichtweg nicht. Auf den sonnengelben Abfahrtsplänen der Deutschen Bahn ist der 14.14-Zug nicht verzeichnet. Auch im Computer der Deutschen Bahn soll um diese Zeit kein Zug von Cuxhaven nach Bremerhaven fahren. Und in Bremerhaven keiner ankommen. Auch am Fahrkartenschalter ist man ratlos über die seltsamen Zeiten, zu denen der VBN die Züge losfahren lassen will.

Denn der Phantomzug spukt nur auf den Fahrplänen des VBN durch die Computer. Auch dort wissen die Mitarbeiter im Service nicht so recht Bescheid. Nicht immer klappe der Datentransport mit der Bahn reibungslos, heißt es. Auch beim SE 24527 haben sich Fehler eingeschlichen. Auch dieser Stadtexpress kurvt täglich von der Nordsee nach Bremerhaven. Der soll nach DB- und VBN-Plan auch tatsächlich fahren. Allerdings zu unterschiedlichen Zeiten. Wer nach dem VBN-Plan zum Bahnhof kommt, muss wieder mal warten. Vier Minuten später ist der Zug auf den DB-Plänen eingetragen. Und zu dieser Zeit fährt der Zug dann auch los. Aber Hauptsache, er fährt.

Grund für den Fehler beim Geisterzug war ein kurzfristige Verschiebung bei der Bahn. Denn der SE 24521 ist ein Schülerzug und wurde auf Wunsch der Eltern besser an die Schulzeiten angepasst, sagte gestern der Pressesprecher der Bahn zur taz. Deswegen fährt der Zug früher los, und zwar um 13.51 Uhr. Diese Änderung war beim VBN wohl nicht durchgesickert. Ein aktueller und korrigierter Herbst-Falt-Plan sei schon unterwegs. Vielleicht wird jetzt alles besser. pipe