Frauen im Schatten des Throns

Berlin hatte Besuch von Ngum III. Der afrikanische König kommt aus Oku in Kamerun und hat eine Woche lang die Museen der Stadt besucht, weil er selbst Kunst sammelt. Über Geheimgesellschaften in seiner Heimat wollte er allerdings nicht sprechen  ■   Von Jenni Zylka

Nein, das ist nicht mein erster König“, winkt Herr Thoss vom Haus der Kulturen der Welt ab. „Wir kriegen öfter mal welche, durch unsere Tätigkeiten im Kulturbereich ...“ – „... zu sehen“, wollte der freundliche Mann bestimmt noch hinzufügen, aber ich bin schon abgelenkt, muss schließlich den König angemessen verabschieden, wie auch immer man so etwas macht.

Der König heißt Ngum III., kommt aus Oku in Kamerun und hat eine Woche lange Berlin und seine Museen besucht. Er ist nämlich leidenschaftlicher Kunstsammler und möchte in seinem Palast eine Sammlung einrichten, ein Palast, in dem „um die fünfzig Menschen wohnen, ach nein, eigentlich viel mehr, vielleicht um die hundert“, der König weiß es nicht so genau. Die Palastadresse ist jedenfalls „Palast-Oku, Nord West Provinz, Kamerun“, keine Straße, keine Postleitzahl, und ist laut König Ngum III. „verglichen mit den anderen Palästen in Afrika relativ groß“.

Nun gibt es eine Menge Könige in Kamerun, fast jede der 200 Volksgruppen mit eigenständigen Sprachen hat einen. Oder einen Sultan. Offiziell werden die über 13 Millionen Kameruner vom Präsidenten Paul Biya regiert, aber die Könige sind noch immer überragende Persönlichkeiten ihres Volkes, kultische und gesellschaftliche Führer, und vor allem gibt es noch eine mysteriöse Verbindung zwischen dem König und einer so genannten „Geheimgesellschaft“, die aus den Oberhäuptern der 60 Großfamilien besteht. Besonders über die Geheimgesellschaften will ich ein bisschen mit dem König plaudern.

An seinem zweiten Tag des Berlin-Besuchs guckt sich der König die Art Gallery in der Knesebeckstraße an, eine kleine, mit afrikanischer und – extra für diesen Besuch – Kameruner Kunst, Masken, Schnitzereien und Kunsthandwerk sympathisch vollgestopften Galerie, in der der Galerist Beller, ein paar Journalisten, Neugierige und Kameruner an diesem Morgen etwas auf den König warten müssen.

Kameruner jodeln dem König respektvoll zu

„Dieter, da kommter!“, ruft eine Frau endlich, und der lächelnde König in leuchtend orangener Tracht, auf dem Kopf eine passend bestickte Mütze, wackelt auf einen Stock gestützt langsam den Weg zur Galerie hinauf. Ein paar Kameruner singen traditionelle Lieder, jodeln dem König respektvoll zu, und schon sitzt er auf einem improvisierten Thron im Verkaufsraum, neben seinem ständigen Begleiter, dem Lehrer Kemei.

Der Galerist Beller hält eine kleine Begrüßungsrede und stellt dem König hoch erfreut alle Anwesenden vor: seine Kinder, seine Frau („Hello Mama“, sagt der König), seine Freunde, sogar die Journalisten. König Ngum III. lächelt alle durch die blitzende Goldrandbrille an, und alle lächeln zurück, verbeugen sich und geben ihm die Hand. Und das ist bestimmt in Wirklichkeit eine Unverschämtheit. „Eigentlich dürfen Frauen nicht in seinem Schatten stehen“, hat der Galerist Beller, ein Afrikareisender, nämlich vorher erzählt.

Aber König Ngum III. (übrigens seit 1992 auf dem Thron) hat in den USA Theologie studiert, ist sogar zum Christentum konvertiert, und da wird es garantiert ein paar unverschämte Frauen gegeben haben. Nach der bewegenden und offenen Rede des Königs (ist sehr froh, zu einem so aufregenden Zeitpunkt in Berlin zu sein, möchte den Kulturaustausch zwischen Deutschland und Kamerun fördern) gibt es Häppchen. Der König plauscht ein wenig mit den Gästen, es wird noch ein wenig gesungen, und dann muss er auch schon nach Sachsen-Anhalt abdüsen. Der Zeitplan ist eng, die Lutherstadt Wittenberg steht als nächstes auf dem Programm.

Zur Ausstellungseröffnung im Völkerkundemuseum am nächsten Tag kann ich leider nicht kommen, aber zwei Tage später möchte ich mit ihm die Museumsinsel besichtigen. Da will der König aber lieber einen „Off-Day“ einlegen, nein, so richtig krank sei er nicht, aber er bliebe lieber im Hotel, teilt man mit, und ich bin etwas besorgt.

Aber zwei Tage später ist er wieder auf dem Dampfer und lässt sich von Dr. Knopp im Haus der Kulturen der Welt empfangen: man schaut sich die Ausstellung „blank______Architecture apartheid and after“ an, in der die architektonischen und städteplanerischen Folgen der Apartheid im heutigen Südafrika analysiert werden sollen. Klingt spannend und sehr modern, und dem König scheint es zu gefallen. Er schlendert durch den Raum, bleibt vor verschiedenen Tafeln stehen und liest die englischen Beschriftungen.

Wie ein kleiner Hofstaat schlendern Lehrer Kemei, drei Leute vom Museum, der Fotograf und ich respektvoll hinterher, und ich überlege, wie ich das mit den Geheimgesellschaften am besten in eine unauffällige Frage verpacke. Schließlich setzt sich der König auf einen Ausstellungsstuhl, ich knie mich standesgemäß neben ihn, und er erzählt ein bisschen von seiner Reise durch Berlin. Es habe ihnen sehr gefallen, vor allem Potsdam, Schloss Sansoucci, und Wittenberg. „A spirit of renewal of minds and attitudes“ würde gerade durch Germany wehen, sagt er druckreif und von ganzem Herzen Diplomat, und als ich gerade die Geheimgesellschaftenfrage stellen will, erzählt er, dass er „um die 200 Kinder“ habe, und da bin ich kurz baff. Denn das ganze Königreich hat ja nur 80.000 Untertanen, und wenn man sich überlegt, was für ein Aufriss immer um Prince Charles und Konsorten gemacht wird ... Und das Schloss von König Ngum III. ist auch bestimmt viel hübscher als Buckingham Palace. Außerdem würde die Queen nie im Leben mit mir durchs Haus der Kulturen der Welt bummeln. Aber vielleicht meint der König auch „Kinder im Geiste“.

Müde ist der Mann mit den 200 Kindern

Jedenfalls ist er danach müde, und ich denke, „na ja, bei einer so großen Familie, da darf man schon mal müde sein“ und belasse es dabei. Über die Geheimgesellschaften hätte er bestimmt sowieso nichts ausgeplaudert. Wahrscheinlich ist das wie mit den Freimaurerlogen: Ein paar Männer treffen sich, trinken einen und haben nichts wirklich Bestimmtes zu besprechen, es geht mehr um den Ritus des Sich-geheim-Treffens.

Der Besuch des freundlichen Königs von Oku, Kamerun, ist fast am Ende. König Ngum III., Lehrer Kemei und der improvisierte Hofstaat aus Museumsleuten und Journalisten gehen noch zusammen raus zum großen silbernen Königsauto. Der König drückt allen die Hand und sagt „Bis bald! Alles Gute für die Zukunft!“ Dann setzt er sich auf den Beifahrersitz, und das Königsauto braust davon.