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Themenläden und andere ClubsWir werden KEINEN kennen

■ Rätselhafte Einladungen zum Essen erhöhen die Kontaktfreude

Das Restaurant Maxwell lädt mich ein. „Zum Cocktail & Abendessen. Der Abend steht ganz unter dem Motto ,Kunst , Kommunikation – Kultur als Fest der Sinne und des Geis- tes‘ “. Holla. Wie komm ich zu so einer Einladung? Das ist mir ein Rätsel. Das würde mich schon mal interessieren. Und eine Einladung zum Abendessen schlag ich nicht aus. Wahrscheinlich haben sie mich deshalb eingeladen. Ich faxe den Vordruck zurück: „Ja, ich komme gern in Begleitung von ...“

Wir rätseln immer noch, als wir das Haus verlassen und die Reise in die Bergstraße antreten. Eins aber ist sicher: Wir werden dort KEINEN kennen. Wir fahren zur Oranienburger Straße und nehmen uns von dort ein Taxi. Der Taxifahrer hält am Ende der Bergstraße, wir klettern über drei Baustellen und stehen plötzlich im noblen Innenhof. Gelbes Licht, leise Stimmen, große Schirme und links ein teures Tapisserie-Geschäft. Hier waren wir noch nie. Unter den Schirmen stehen hohe Tische und drumherum Menschen in kleinen Grüppchen, die Sektgläser in der Hand halten. Wir kennen niemanden, wie erwartet.

Wir nähern uns den Sektgläsern, um auch etwas in der Hand zu halten und nicht so aufzufallen, da stehen tatsächlich: Anna und ihr Freund. So eine Überraschung. So eine Freude. Wir kennen uns kaum. Anna ist eine Freundin von Freunden, jetzt fallen wir uns in die Arme wie alte Freunde, die sich lange nicht gesehen haben. Auch ihre Erleichterung ist groß, uns getroffen zu haben. Sie kennen hier keinen, außer den Besitzer.

Wir gehen zusammen hinein und dann der nächste Schreck: Tischkärtchen. Ich denke immer noch, das muss ein Versehen sein, dass ich hier bin, und wie stehen wir jetzt da, wenn unsere Namen auf keinem der Kärtchen stehen. Wir müssten dann kleinlaut und mit leeren Mägen wieder nach Hause fahren. Ausgeladen von einem Essen, zu dem wir nie eingeladen werden wollten. So eine Schmach. Aber da, tatsächlich, an zwei sich gegenüberliegenden Plätzen, stehen unsere Namen – mein Name: Herr und Frau Naters. Hihi. Die Laune steigt, die kriminelle Energie wächst; Anna, Johannes und wir wollen diesen Abend nicht mehr auseinandergehen, und weil die beiden an einem anderen Tisch platziert sind, vertauschen wir schnell die Kärtchen und setzen uns kichernd zusammen. Ein ganz großartiger Abend. Als alle am Tisch sitzen, kennen wir wirklich niemanden, nur ein altes Schauspielergesicht, und von einer Frau weiß Anna, dass sie eine sehr berühmte und begabte junge Opernsängerin ist. Das Essen ist vorzüglich – obwohl: Die Soße ist ein wenig zu aufdringlich und der Wein zu schwer. Für mich. Schon nach einem Glas bin ich betrunken und muss mit Wasser verdünnen. Ich als Biertrinkerin bin den schweren Roten nicht gewöhnt. Nur Wasser trinken an einem fröhlichen Abend in ungewohnter Umgebung geht auch nicht, also trinke ich immer weiter am Wein, was sich am nächsten Morgen bitter rächen wird. Irgendwann sitzen wir mit den Besitzern und den restlichen Gästen an einem Tisch, zu später Stunde, und ich frage endlich: Warum bin ICH hier? Die Besitzerin sagt etwas von: Berlin – Roman – alle eine Generation. Frechheit, denk ich mir, ich bin mindestens zehn Jahre jünger, aber alle sind so nett. Mir gegenüber sitzt eine freundliche Frau, die auf Sven einredet und mich zwischendurch anlächelt, und dann holt sie mein Buch aus der Tasche, damit ich es signieren kann. Um drei fall ich vom Stuhl, und wir verabschieden uns glücklich. Elke Naters

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