■ Allein können es die Demonstranten in Belgrad nicht schaffen
: Hoffnungsträger Armee?

Dass die Demonstrationen in Belgrad zum Erfolg führen, dass mit den Demonstrationen Miloševic gekippt werden kann, daran glaubt wohl nicht einmal der harte Kern der Organisatoren unter Zoran Djindjic. Das Potenzial der demokratischen Opposition ist ja höchstens mit 30 Prozent der Stimmen anzugeben, selbst wenn man die Anhänger von Vuk Draškovic, die jetzt nicht demonstrieren, hinzurechnet. Zu stark bleibt die Position des Mannes an der Spitze, der mit seinen Geheimdiensten, dem Repressionsapparat und den Manipulationsmechanismen über die Medien in der Lage ist, seine Position zu sichern.

Die Radikalen, Extremisten und offenen Faschisten, die sich von Vojislav Šešelj vertreten sehen, und alle jene Kriegsprofiteure oder Kandidaten für Den Haag sind sogar bereit, mit Waffengewalt gegen die demokratische Oppositon vorzugehen. Von ihrer Position aus ist dies durchaus verständlich: Außer Serbien haben sie kein Rückzugsgebiet mehr. Und doch kann die Agonie in Serbien nicht mehr ewig andauern. Das Land muss wieder eine Zukunft haben. Die serbische Bevölkerung muss sich darüber klar werden, ob sie in das Lager eines zusammenwachsenden Europas zurückkehren will oder den Staat jenen überlässt, die nur in der Isolation existieren können.

Miloševic und Šešelj, die rot-braune Koalition also, hoffen auf eine Koalition von Kommunisten und Rechtsradikalen im Russland nach Jelzin. Dies zeigt die Gefahr, in der Serbien steht. In den nächsten Monaten muss die serbische Bevölkerung eine historische Entscheidung treffen: zwischen Rubel und Euro, Osten und Westen. Selbst viele Leute innerhalb des Regimes wollen den Weg nach Osten nicht. Auch in der Armee, die angesichts der Taktik der Nato, mit Vorwarnzeiten anzugreifen, die Luftangriffe intakt überstanden hat, regt sich Kritik. Dass die regimenahe Offiziersorganisation JUL jetzt die meisten höheren Posten eingenommen hat und sich gleichzeitig in die Sozialistische Partei Miloševic' integriert, widerspricht nicht dieser These. Dieser Umstand deutet eher darauf hin, dass Miloševic die Armee zunehmend als unsicheren Kantonisten ansieht.

Die Frage ist also, können die Demonstrationen dazu beitragen, eine Diskussion in der Armee über die Zukunft des Landes zu fördern? Könnte es eine Spaltung in der Armee geben, die zum Motor einer Spaltung innerhalb des Regimes wird? Wir werden sehen. Sicher ist, dass es ohne diese Spaltung keinen Umsturz gibt. Erich Rathfelder