Clinton ergreift die Schulden-Initiative

■ Der Schuldenerlass für die ärmsten Länder soll weiter gehen als bisher beschlossen. Arme Länder haben aber weiterhin über hundert Milliarden Dollar Verbindlichkeiten

Berlin (taz/AFP) – „Ich werde meine Regierung anweisen, hundert Prozent der Verbindlichkeiten zu erlassen, die die ärmsten Staaten den USA schulden“, kündigte Bill Clinton in einer Rede anlässlich der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds am Mittwoch in Washington an. Clintons Finanzminister Lawrence Summers forderte die anderen G-7-Staaten auf, dem amerikanischen Beispiel zu folgen.

Mit diesem Angebot geht der US-Präsident über die Forderungen der Kölner Schuldeninitiative hinaus, die bereits eine Entlastung von 90 Prozent beschlossen hatte. Voraussetzung sei jedoch, dass die in den Schuldnerländern freiwerdenden Mittel zur Deckung „elementarer menschlicher Bedürfnisse verwendet werden“, sagte Clinton.

Die vom US-Präsidenten in Aussicht gestellte „hundertprozentige Entlastung“ bedeutet jedoch nicht, dass alle bestehenden Schulden vollständig gestrichen werden. Der Verzicht bezieht sich lediglich auf jene Summe, über die überhaupt nur verhandelt wird: den Schuldenstand der sogenannten hochverschuldeten armen Länder zum Zeitpunkt, als sie in den 80er Jahren das erste Mal mit dem Pariser Club der Gläubigerstaaten in Verhandlungen getreten sind. Kredite in Höhe von 140 Milliarden Dollar, die in der Folge bei den USA und anderen Staaten aufgenommen wurden, werden bei den Verhandlungen über einen Schuldenerlass nicht berücksichtigt.

Wenn sich Entwicklungsministerin Heidemarie Wiezcorek-Zeul auch über den Erfolg der Kölner Initiative freuen darf: Die 70 Milliarden Dollar, die gestrichen werden, sind lediglich 30 Prozent der Gesamtverschuldung in Höhe von 214 Milliarden Dollar. Diese Summen sind Nominalwerte, zusammengesetzt aus aktuellem Schuldenstand plus den Zinsen, die während der Restlaufzeit der Kredite von durchschnittlich etwa 20 Jahren gezahlt werden müssten. So kostet der in Köln beschlossene Schuldenerlass die Gläubigerstaaten nicht 70, sondern nur 27 Milliarden Dollar.

Auch wenn Clinton sich mit seiner Forderung nach einem hundertprozentigem Erlass aller Geberländer durchsetzt, bleiben den Entwicklungsländern immer noch über 100 Milliarden Dollar an Schulden. Freilich rechnen die Gläubigerstaaten in den meisten Fällen ohnehin nicht damit, dass ihre Kredite in absehbarer Zeit zurückgezahlt werden.

Der neue Vorschlag Clintons wurde mit stehenden Ovationen der Tagungsteilnehmer begrüßt. Noch allerdings muss der Kongress, in dem die Repulikaner die Mehrheit haben, der Initiative zustimmen. Entwicklungsorganisationen äußerten die Befürchtung, die finanziellen Mittel dafür könnten aus dem Entwicklungshilfebudget genommen werden. Ein hunderprozentiger Schuldenerlass, wie Clinton ihn fordert, würde die USA eine Milliarde Dollar kosten. kk