Das Warten hat ein Ende: Nobelpreis für Günter Grass

■  Die schwedische Akademie verleiht dem Autor die höchste Auszeichnung für Literatur. Seit der „Blechtrommel“ zählte Grass zum engsten Kreis der Anwärter. Selbst Kritikerpapst Reich-Ranicki jubelt

Berlin (taz) – Gestern Mittag um eins hatte das Warten endlich ein Ende: Günter Grass erhält als siebter deutscher Schriftsteller in diesem Jahrhundert den Nobelpreis für Literatur.

In der Begründung der schwedischen Akademie, die den mit 1,7 Millionen Mark dotierten Preis alljährlich vergibt, heißt es, Grass habe sich als Spätaufklärer bekannt, in einer Zeit, in der die Vernunft müde geworden sei. Er habe „in munterschwarzen Farben das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet“.

Vierzig Jahre nach Erscheinen seines gefeierten Romanerstlings „Die Blechtrommel“, seit dem er fast alljährlich zum engsten Kreis der Anwärter auf die weltweit höchste Auszeichnung für Literatur gegolten hatte, war es endlich so weit. Wenige Minuten nach dem Bekanntwerden der Ehrung zeigte sich der Schriftsteller – wie immer im Tweedjackett und Kordhosen – mit einer Pfeife in der Hand im Hof seines Behlendorfer Hauses und meinte lässig: „Mir ist jetzt ein Zahnarzttermin in Hamburg wichtig, denn den habe ich schon öfter verschieben müssen.“

Der Lieblingsfeind seiner letzten Jahre zeigt sich da schon emotionaler. Marcel Reich-Ranicki erklärte versöhnlich: „Ich freue mich außerordentlich, dass Günter Grass den Nobelpreis erhalten hat. Er hat ihn längst verdient, schon vor zwanzig oder zehn Jahren. Dass die letzten Bücher schlechter sind als sein Frühwerk, spielt dabei keine Rolle.“ vw

Tagesthema Seiten 2 und 3