Erst nützlich, heute staatsgefährdend?

Nur über die gesellschaftliche Aufwertung der Frau konnte das geeinte kommunistische Jugoslawien nach dem zweiten Weltkrieg Realität werden. Nach dem Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates ist von den einstigen Freiheiten wenig geblieben. Heute geißeln die staatlichen Medien Serbiens den Feminismus, und serbische Autorinnen haben inzwischen Angst vor dem Etikett „Frauenliteratur“ Von Svetlana Slapùsak

Im Vergleich mit Feministinnen sind Nato-Generäle wie Mutter Theresa“, schrieb in Belgrad ein beliebter Kolumnist kurz nach dem Ende der Natobombenangriffe im Juni. In einem Kommentar mit dem Titel „Schreibende Frauen“ stellte der Kolumnist in Politika, der wichtigsten staatlich kontrollierten Tageszeitung, die Frauen als die größte Gefahr für den serbischen Staat, für die serbische Männlichkeit und Zukunft an den Pranger.

Was hatten die derart angegriffenen Feministinnen getan, um sich eine so harte Anklage zu verdienen? Als das Vaterland in Gefahr war, zeigten sie nicht genug Patriotismus. Patriotismus, das belegt dieses Beispiel, bedeutet schlicht Unterwürfigkeit, Objektstatus, Verstummen. In diesen Anwürfen scheinen die geheimen Wünsche und Ängste auf, die Scham und die inneren Konflikte der Männer mit dem heroischen Modell.

Und wie hatten die Frauen ihren mangelnden Patriotismus zum Ausdruck gebracht? Schreibend. Man kann jetzt verstehen, warum manche Autorinnen in Serbien sich erbittert dagegen wehren, ihre Bücher als Frauenliteratur bezeichnen zu lassen. Denn das hieße für sie, dass sie fortan von männlichen Kritikern, Professoren und Literaturhistorikern nicht mehr zur Kenntnis genommen würden. So bildet sich zwischen kleinen Themen und gewaltiger Rhetorik der neue serbische Antifeminismus heraus, in einer gemeinsamen Grundhaltung von Regierung und Opposition.

Der Kampf, der in den Parlamenten, Kirchen und an den Orten der politischen Entscheidungen der neuen Staaten gegen die alten kommunistischen Frauenrechte geführt wurde, greift in Serbien auf die Kultur über, und die Kultur wird zum symbolischen Raum, in dem die Frauenrechte sogar im Namen der freien Meinungsäußerung, der Demokratie und Gleichheit angegriffen werden können.

Die jugoslawischen Frauen für sich zu gewinnen gehörte zu den wichtigsten Zielen der kommunistischen Partei während des zweiten Weltkrieges und unmittelbar danach. Vor dem Krieg hatten die jugoslawischen Kommunisten kein besonderes Interesse am Feminismus, weil die Illegalität der Partei die Arbeit mit den Massen ausschloss und weil die weiblichen Parteimitglieder die von der Partei auferlegten Grenzen für die Behandlung feministischer Themen einhielten.

Sobald der Krieg begonnen hatte, wurde die Frauenfrage für die jugoslawischen Kommunisten jedoch zum wichtigsten strategischen Thema. Die Partisanenbewegung war auf die massenhafte Mitarbeit von Frauen angewiesen – sie brauchte zuverlässige Frauen in den Städten für die Informationsnetze und Bäuerinnen auf dem Lande, die für Nahrung, Pflege, Verstecke und Unterkunft sorgten. Soldatinnen brauchte eine Armee, die fast aus dem Boden gestampft werden musste.

So erklären sich die ungeheuren Anstrengungen der Kommunisten, die Frauen in einer feministischen Denkweise zu erziehen. In dem revolutionären Projekt, das auf die multiethnische und multikulturelle Einheit des neuen Jugoslawiens setzte, war die Position der Frauen letztlich für den Erfolg entscheidend. Die Partisanenkrieger, vorwiegend ungebildete Bauern, mussten umerzogen werden, und ihre bislang unterdrückten Frauen wurden zum Ansatzpunkt dieser Umerziehung – all dies während eines ungleichen Kampfes gegen mehrere gut ausgerüstete Armeen.

Wir können nur staunen, wie sich dieses riskante utopische Projekt innerhalb vier kurzer Jahre unter schlimmsten Bedingungen herausbildete. Die kommunistischen Propagandisten hatten es mit verschiedenen ethnischen und kulturellen Gruppen, mit verschiedenen Verhaltensmustern und Traditionen zu tun; an einige Ethnien – etwa die Albaner – war extrem schwer heranzukommen. Tatsächlich erfolgte der größte Teil der Umerziehung unmittelbar nach dem Krieg, als die siegreiche Bewegung mit Hilfe der Medien und eines Netzes begeisterter Gefolgsleute auf das Bewusstsein einwirken konnte. Ich erinnere mich noch an die Geschichten, die meine Mutter und meine Großmutter aus einer ehemals bourgeoisen Familie erzählten, die von der allgemeinen positiven Gefühlslage überwältigt waren und viel soziale Arbeit leisteten – als Trümmerfrauen, bei der Hilfe für Verwundete, Behinderte und Waisen, in Alphabetisierungskursen für Frauen, in praktischen Übungen in Zivilverteidigung und so weiter.

Die kommunistische Herrschaft brauchte keine feministische Elite und Theorie, sondern Massen von Frauen, die bereit waren, zu arbeiten und zu gehorchen. Es wurde eine riesige Organisation gegründet, die „Antifaschistische Frauenfront“ (AFZ), zur Vermittlung zwischen der Partei und der breiten Masse der Frauen. Diese Organisation spielte bei vielen Gelegenheiten eine wichtige Rolle – der ehemals unterdrückte Teil des Volkes erhielt nun die Rolle der wahren Stimme des Volkes. Und die freiwillige Arbeit der Frauen konnte als offensichtlichstes Beispiel dafür angeführt werden, was der Wille des Volkes erreichen kann; sie wurde zum Modell für die freiwilligen Arbeitseinsätze der Jugendlichen.

Die jugoslawischen Kommunisten folgten dem sowjetischen Beispiel; sie wandten der marxistischen utopischen Familie den Rücken und optierten für die mononukleare Familie. Auch die Gesetzgebung folgte dem sowjetischen Modell und gewährte den Frauen sämtliche Rechte, einschließlich des Rechts auf Abtreibung. In den Kreisen der moslemischen Kultur wurde der Schleier verboten. In den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg produzierte das Zentrum für Propagandafilme der jugoslawischen Armee eine Reihe von Filmen gegen den Schleier, gegen unsachgemäße Abtreibung, für die Ausbildung aller Mädchen und dergleichen. Frauengruppen wurden in die entlegensten Dörfer geschickt, um Empfängnisverhütung, moderne Kinder- und Mütterpflege zu lehren und die neuen Gesetze zu erläutern, vor allem in die südlichen Gegenden Jugoslawiens. Riskante und zum Teil gefährliche Aufgaben.

All diese eindrucksvolle Arbeit wirkte – die übliche stilistische Zutat zur kommunistischen Ideologie –, als sei sie etwas vollständig Neues. Als habe es im ehemaligen Jugoslawien niemals Feminismus gegeben – von den Heroinen und Vorläuferinnen einmal abgesehen, die von der Partei zu kanonisierten ideologischen Vorfahren erhoben worden waren.

Die positiven Folgen dieser Politik für die jugoslawischen Frauen waren enorm: ein Zuwachs an Rechten, an Gleichheit, Freiheit und Selbstvertrauen, ein garantierter grundlegender Gesundheits- und Familienschutz, der Wille und die Möglichkeit zu arbeiten, ein hohes Niveau des weiblichen Bewusstseins und ein ausgeprägter Sinn für Initiative. Obwohl diese Epoche der Frauenprivilegien relativ kurz war, blieben ihre Resultate in der kollektiven Einstellung der Frauen weit länger erhalten.

Die AFZ war nützlich, eine ideale Waffe in den verschiedenen Kämpfen, die die Kommunisten nach dem Sieg bestehen mussten – im Kampf gegen verbliebene bourgeoise Elemente, für die Nationalisierung, für die Verfolgung und Aburteilung von Kriegsverbrechern und andere ähnliche Aufgaben, bei denen die Mütter der gefallenen Helden oder andere stereotype Frauenmodelle aus der weiblichen Bevölkerung hervorgeholt und einzeln eingesetzt werden konnten.

Als es jedoch 1948 zum Bruch mit Stalin kam, war keine der parapolitischen Massenorganisationen vollständig vor der ideologischen Abweichung gefeit, und was die Partei nun wirklich brauchte, war eine Masse eingeschüchterter Individuen, die bereit waren, jeden anderen zu denunzieren. In einer weniger stabilen politischen Situation bildete die monolithische Organisation der Frauen eine ständige Bedrohung, insbesondere weil sie im Ausdruck des Volkswillens eine gewisse Autonomie genoss sowie eine Solidarität mobilisierende Struktur, die mit den Kehrtwendungen und Manövern der alltäglichen Parteipolitik kollidieren konnte. So ließ die Partei diese große und schlechter als andere zu kontrollierende Organisation allmählich aus der Öffentlichkeit zurücktreten; Anfang der Fünfzigerjahre wurde die AFZ schließlich aufgelöst.

Nun konnte eine kleine Zahl von Frauen der Nomenklatura als Vertreterinnen der einstmals wichtigsten und liberalsten Massenbewegung von Frauen im Sozialistischen Block auftreten. Aber auch Jugoslawien selbst war aus dem Sozialistischen Block ausgeschieden. Die Veränderungen traten langsam und nicht sehr deutlich ein. Die Partei schränkte die Rechte der Frauen niemals ein. Tatsächlich wurden der Gesundheitsschutz und die Verteilung empfängnisverhütender Mittel ausgeweitet und die Formalitäten der Abtreibung weiter liberalisiert. Aber es wurde ein neues kulturelles Bild der Frauen eingeführt, in dem sich Patriarchat und Konsumdenken vereinten: Das kulturelle Paradigma war immer wichtig, um den Platz für die Frauen zu definieren.

Im Rückblick lässt sich das Schicksal des Feminismus und der Frauen in Serbien – und vielleicht auf dem gesamten Balkan – als symbolische Geschichte interpretieren. Es ist die Geschichte vom konservativen Ehemann, der – wie der unsterbliche Balkanvampir – ewig zurückkehrt, um die Frauen zu unterdrücken, und die vom sterblichen liberalen Liebhaber, der mit neuen und revolutionären Ideen auftritt und die Frauen dafür gewinnt, mit ihm diesen Plan zu verwirklichen. Nach einiger Zeit jedoch stirbt der sterbliche Liebhaber und kehrt als unsterblicher Vampir-Ehemann zurück. Heute scheint er, auf längere Zeit denn je, erneut gefährlich und unsterblich.

Svetlana Slapšak, 52, geboren in Belgrad, ist Herausgeberin der in Belgrad erscheinenden Vierteljahresschrift ProFemina und Leiterin des Studiengangs Anthropologie an einem Postgraduiertenkolleg in Ljubljana, Slowenien. Übersetzung: Meino Büning