„Anstoß“ heiratet

■ Bremens Kulturszene hat ein Bündnis mit der Handelskammer geschlossen und schielt auf die staatlichen Investitionsmillionen

Hermann Mende hat etwas zu meckern. „In den Bremer Medien findet Kultur nicht statt“, behauptet der Mitverwalter der Waldemar-Koch-Stiftung, die jährlich 1,5 Millionen Mark unter die Bremer (Kultur-) Leute bringt. Und etwas verräterisch präzisiert er: „In der Presse werden wir nicht erwähnt“. Was auf den ersten Blick wie nach gekränkter Eitelkeit aussieht, entpuppt sich beim zweiten Hinsehen als Trendwende: Auch in Bremen haben die meisten SponsorInnen und Mäzene ihre Tiefstapelei aufgegeben.

Der Beck-&-Co.-Slogan „Wer für Kultur etwas übrig hat, muss nicht selbst im Rampenlicht stehen“ ist buchstäblich von gestern. Denn jetzt drängen private GeldgeberInnen selbst auf die Bühne. Und treffen dort VertreterInnen der Bremer Kulturszene, die sich bei der Auswahl ihrer FreundInnen derzeit ziemlich kreativ zeigt.

In einem bundesweit als ungewöhnlich gehandelten und folglich für Bremer Verhältnisse schon fast sensationellen Akt der Fraternisierung haben jetzt die Kulturinitiative „Anstoß“ und die Handelskammer ein Bündnis geschlossen. „Die Stadt Bremen kommt erst dann zu ihrer wahren Identität, wenn sie das für die Wirtschaft zu beobachtende Aufbruchsklima auch auf Kunst und Kultur erweitert“, heißt es etwas blumig in einem gemeinsamen Papier. Doch hinter diesen Worten verbirgt sich ein handfestes Problem: Wie in anderen Ressorts auch klafft im Kulturetat eine Lücke von derzeit sieben Millionen Mark. Wenn sie nicht geschlossen wird, müssen Einrichtungen geschlossen werden. Doch wenn das CDU-geführte Kulturressort an der falschen Stelle streicht, läuft es ab jetzt Gefahr, Protest aus der Handelskammer und somit aus der eigenen Klientel zu ernten.

Die Kultur-Allianzen verlaufen kreuz und quer. Doch die um die GründerInnen der Inititiative „Anstoß“ Katrin Rabus und Klaus Pierwoß versammelten Kulturleute ziehen an immer mehr Fäden mit. Das am Donnerstag bei einem Symposion zum Thema „Kultur – Staat – Wirtschaft“ geschlossene Bündnis zur Handelskammer ist vielleicht der klügste Schachzug. Zwar kennt man sich in der Szene ohnehin – viele Bremer UnternehmerInnen gehören Freundes- und Förderkreisen an. Doch wenn sich fortan ein gemeinsamer Ausschuss Kunst und Wirtschaft trifft und die Kammer – wie von Präses Bernd Hockemeyer angekündigt – eine Sponsorenbörse gründet, hat das ein anderes Gewicht.

Ein erstes Thema für den Ausschuss: Die immergleiche Diskussion ums Sparen, die nach den Absichtserklärungen vergangener Jahre jetzt auch der neue Senator Bernt Schulte beenden will. „Die Kultur ist immer auf der Seite des Sparens und nicht auf der des Investierens“, sagte Klaus Pierwoß beim gut besuchten Symposion vor Bremer ManagerInnen und Kulturleuten, und er dachte ein „Das muss sich ändern“ mit. Die Kultur erhebt Anspruch auf die glänzende Seite der Bremer Medaille. „Kultur gilt immer als konsumptiv, Wissenschaft dagegen als Investition“, hat deshalb auch Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) festgestellt. Will sagen: Wenn die ProfessorInnen-Gehälter neuer Universitätsinstitute eine Investition sind, warum soll das nicht auch für die Kultur gelten?

Jedenfalls hat sich herumgesprochen, dass man damit in die Zeitungen kommt. Sparkassen-Vorstand Jürgen Oltmann überschlug sich stellvertretend für andere geradezu vor Lob für die Kraus-Inszenierung im Bunker „Valentin“ oder die Von-Uhde-Ausstellung der Kunsthalle.

Während Senator Bernt Schulte betonte, dass sich die kulturelle Spitze nur entwickeln kann, wenn auch in der Breite etwas da ist, nehmen die Leute von der Wirtschaftsfraktion mehr als früher die Erfolge der großen Institutionen wahr. Mehr Geld haben sie ihnen zwar nicht versprochen – denn für die Grundfinanzierung sei sowieso der Staat zuständig.

Doch die Botschaft dieses Symposions lautet: Die geplanten Bremer Investitionsprojekte werden Konkurrenz bekommen – die Leute von der Kultur melden ihre Ansprüche an. ck