Geteilte Medienwelt

■ In Bremen gibt es zwei neue Studiengänge über „Medieninformatik“ / Dass es zu der vorgesehenen Verschmelzung der beiden Studiengänge kommt, wird bezweifelt

So genau weiß Denis noch nicht, was auf ihn zukommen wird. Trotzdem hat er sich ersteinmal zum Wintersemester an der Hochschule Bremen für den neuen Studiengang Medieninformatik beworben. Medieninformatik wird im Herbst erstmalig sowohl an der Hochschule als auch an der Uni Bremen angeboten. Angeblich sollen im Wintersemester 2000 / 2001 beide Studiengänge zu dem internationalen Studiengang „Digitale Medien“ zusammengeführt werden.

Ursprünglich wollte Denis Tontechnik oder Medientechnik studieren. Aber diese Studiengänge werden in Bremen gar nicht angeboten. Vor einem Jahr hatte Denis dann mit Technomathematik begonnen. „Doch das war mir zu trocken“, erzählt er. „Die Studienangebote in Bremen sind zu eingleisig. Ich dachte schon daran, gar nicht mehr zu studieren“. Durch das Arbeitsamt erfuhr er dann von dem neuen Studiengang Medieninformatik.

Denis hat noch keine genaue Vorstellung, was er später machen will. Doch „der Bereich Computer, Netzwerke und Internet steckt noch in den Kinderschuhen. Mit technischem Know-how und Kenntnissen in Gestalten stehen einem viele Arbeitsmöglichkeiten offen“, glaubt er.

Medienstudiengänge sind begehrt, „Medien“ ein Reizwort für viele. Denis ist nur einer von über 200 Bewerbern auf die 30 Plätze in Medieninformatik an der Hochschule. An der Uni sind auf 40 freie Plätze immerhin 130 Bewerbungen eingegangen. Und das, obwohl die Universität die Gründung des neuen Studiengangs erst drei Wochen vor Ablauf der Bewerbungsfrist bekannt gab.

In einem Jahr will sich Bremen dann mit dem internationaler Studiengang „Digitale Medien“ präsentieren, in dem man Medieninformatik mit Mediengestaltung verbinden will. An dem Projekt beteiligen sich die vier Hochschulen des Landes Bremen: die Uni Bremen, die Hochschulen in Bremen und Bremerhaven und die Hochschule für Künste. „Solch eine hochschulübergreifende Kooperation ist im Bereich der Medieninformatik in Deutschland einzigartig“, sagt Jürgen Friedrich, Professor an der Universität Bremen und einer der Initiatoren des neuen Studiengangs.

Skeptischer ist allerdings Hermann Kuhn, der bei den grünen Bürgerschaftsabgeordneten für Hochschulpolitik zuständig ist. Als letzte Woche in der Bürgerschaft eine große Anfrage der Grünen behandelt wurde, die nach der Zusammenarbeit der verschiedenen Hochschulen fragte, machte Wissenschaftssenator Willi Lemke eine unglückliche Figur. Gemeinsame Studiengänge, so die Message, werden eher die Ausnahme als die Regel werden. Und dass die Medieninformatik eine der Ausnahmen sein wird, schien auf einmal, trotz gegenteiliger Versprechen, doch nicht ganz so sicher.

Hellhörig war Kuhn geworden, nachdem der gemeinsame Studiengang „Digitale Medien“ der vier Hochschulen im November 98 in der Wissenschaftsdeputation vorgestellt wurde. Doch wenige Monate später segnete der Senat zwei getrennte Studiengänge an Hochschule und Universität ab. „Nach dem Vorlauf bin ich wirklich skeptisch, dass das noch zusammenläuft“, sagt Kuhn.

Bisher ist Stand der Dinge: Der Studiengang Medieninformatik der Uni soll komplett in den hochschulübergreifenden Studiengang „Digitale Medien“ übergehen. An der Hochschule würde Medieninformatik parallel weiterhin angeboten. Mit „Mediendesign“ ist an der Hochschule für Künste ein zusätzlicher Medien-Studiengang geplant.

An der Uni Bremen konnten Informatiker Medieninformatik schon länger als Nebenfach wählen. Mit dem kompletten Studiengang Medieninformatik, und später dann viellecht mit dem Studiengang Digitale Medien, zielen die Hochschulen jedoch auf eine Nische im Ausbildungsmarkt, die der übliche Diplomstudiengang Informatik nicht ausfüllt. „In Bremen gibt es viele kleine Media-Firmen, die größer werden könnten. Es fehlt dafür allerdings auch an Personal“, sagt Jürgen Friedrich.

Zu 50 Prozent sollen sich die Studierenden mit Informatik beschäftigen, zu 50 Prozent mit Gestaltung von Medien und kulturellen Themen, wie Medientheorie und Mediengeschichte. Dadurch lernen sie einerseits das technische Handwerkszeug, das in modernen Medienunternehmen gefordert ist. Andererseits beschäftigen sich die Informatiker aber auch mit Rezeptionsverhalten und künstlerischen Aspekten. Neben der Hochschule für Künste will man deshalb auch mit den Germanisten und Linguisten zusammenarbeiten.

Der internationale Studiengang „Digitale Medien“ würde mit den angelsächischen“ Abschlüssen Bachelor und Master abschließen. Die Absolventen könnten als Online-Redakteure oder Designer von Videos und Bildschirmen arbeiten. Digitale Filmproduktion, Telemedizin oder die Entwicklung von Tele-Lernsystemen bieten weitere Möglichkeiten für die Medieninformatiker.

Zwei Praktikumsphasen von jeweils zwei Monaten sollen die Studierenden aus dem Elfenbeinturm Hochschule holen und ihnen in Betrieben oder Forschungseinrichtungen Praxiserfahrung vermitteln. Ein Auslandssemester oder ein Praktikum im Ausland ist ebenfalls Pflicht. Gespräche für eine Zusammenarbeit gibt es unter anderem schon mit Universitäten in Paris, Utrecht, den USA und Japan.

Im Bereich Informatik versucht sich die Bremer Uni auf digitale Verwaltung zu spezialisieren. So wird man seinen Personalausweis über Internet beantragen können, oder sein KFZ-Kennzeichen. Damit könnte der Gang zur Behörde entfallen: Polizeilich ummelden per Internet.

Ein weiterer Schwerpunkt an der Bremer Universität ist die Medienkultur. Derzeit arbeitet man an einem virtuellen Modell der Burg in Delmenhorst. Das historische Bauwerk wurde vor 200 Jahren abgerissen, die alten Pläne sind aber noch vorhanden. Mit Hilfe der Bremer Informatiker soll man die alte Burg wieder besuchen können, wenn auch nur auf dem Bildschirm.

Medieninformatik bedeutet zu einem großen Teil auch Informatikstudium. Im den ersten Semestern müssen die Studierenden im Grunde dieselben Pflichtveranstaltungen wie die Informatiker belegen. „In der Studienberatung gab es immer wieder Leute, die sich eigentlich nur für Medien interessierten, für Informatik weniger“, sagt Christina Focke, Leiterin des Dezernats für studentische Angelegenheiten. „Informatik war mir zu heavy und zu Mathe habe ich keine Lust“, begründeten einige angehende Studierende ihre Wahl für Medieninformatik. Denjenigen konnte die Studienberaterin nur mitteilen, dass man um Mathe, Physik und Informatik nicht herumkommt.

Die personelle Ausstattung des neuen Studiengangs ist noch nicht vollkommen geklärt. Zunächst werden Professoren aus dem Fachbereich Informatik die Kurse in Medieninformatik übernehmen. An Uni und Hochschule sind jeweils zwei Vollzeit-Professuren für Medieninformatik geplant. Bis die Professoren aber tatsächlich im Vorlesungssaal stehen, vergehen durch die üblichen Ausschreibungs- und Genehmigungsverfahren in der Regel zwei Jahre. Mit Überstunden und Lehrbeauftragten will man an der Hochschule die Zeit überbrücken. „Wir können nicht erst anfangen, wenn die Professoren auch wirklich da sind. Bis dahin muss eben improvisiert werden“, sagt Ulrich Breymann, Initiator des neuen Studiengangs an der Hochschule Bremen.

Kirstin Karotki

Internet: www.medieninformatik.hs-bremen.de