Bücher für Randgruppen
: Bienengeflüster

■ Unmögliche Entdeckungsreisen mit Mathematikern und Marineoffizieren

Während Wissenschaftler gern beweisen wollen, dass für unmöglich Gehaltenes möglich ist, spielen Philosophen mit dem Gedanken, die für möglich gehaltenen Dinge als unmöglich zu entlarven. Der Autor des vorliegenden Buches, John D. Barrow, Professor für angewandte Mathematik und Physik in Cambridge, ist vielleicht so etwas wie ein philosophierender Wissenschaftler, wenn er in seiner Publikation darangeht, den Begriff der „Unmöglichkeit“ mit dem Wesen und der Bedeutung der „Wirklichkeit“ zu konfrontieren.

Leider hat das alles seine Grenzen, da die Evolution des menschlichen Gehirns natürlich nicht den Sinn hatte, uns zu wissenschaftlicher Arbeit zu befähigen. Sei's drum. Ausgehend von der Gewissheit, dass logische Beschreibungen komplexer Welten in sich bereits den Keim ihrer eigenen Begrenztheit tragen, führt uns Barrow munter von Marcel Duchamp und seinem berühmten Werbeplakat für den Farbenhersteller Sapolin aus dem Jahr 1916 zum ebenso unmöglichen Tribar des Schweden Oscar Reutersvärd, die berühmten in Dreiecksform miteinander verbundenen Stäbe.

Ähnlich Duchamps Bettgestell, dem ein kleines Mädchen mit Schleife im Haar einen Farbanstrich gibt, der eine perspektivische Ansicht unmöglich macht, funktioniert auch das Tribar. Das Gehirn, das ansonsten mit der Geometrie wirklicher Umgebung umgehen kann, springt angesichts der unmöglichen, da vielfach möglichen Perspektiven hin und her. Welche Atome in Nervenfasern und Ganglienzellen tanzen bei einem bestimmten geistigen Vorgang? Es ist eben unbegreiflich, dass das Fühlen von Lust, Schmerz, Freude, das Riechen von Veilchen und Stinkmorchel mit einer Anzahl von Kohlen-, Wasser-, Stickstoff- und anderen Atomen zusammenhängt, die sich irgendwie platzieren, formieren und bewegen.

Trotzdem macht es ja Spaß, sich über derlei Unbegreiflichkeiten den Kopf zu zerbrechen. Sie werden in „Die Entdeckung des Unmöglichen“ schön beschrieben, illustriert und sind mit mehr oder weniger geistreichen Zitaten – „Am Anfang war nichts. Und Gott sprach: 'Es werde Licht‘, und da war immer noch nichts, aber jetzt konnte man es sehen.“ (Terry Pratchett) – beziehungsweise unmöglichen Zitaten garniert: „Ich glaube, dass manche Menschen noch am Leben wären, wenn es die Todesstrafe gäbe.“ (Nancy Reagan).

Laut Barrow ist es die erstaunliche Leistungsfähigkeit des Gehirns, die Kreativität möglich macht. Nicht immer allerdings lässt sie sich umsetzen. Mathematiker wissen, dass Honigbienen ihre Rohstoffe sehr effizient nutzen, wenn sie daraus Honigwaben bauen, doch sie wissen auch, dass sie durchaus noch effizienter arbeiten könnten. Doch wie das den Bienen vermitteln?

Von der Entdeckung des Unmöglichen zum Lexikon der Entdeckungsreisen. Zwei sehr hübsche Bände, die Auskunft über Entdecker und die Folgen ihrer Reisen ins Unbekannte aus zwei Jahrtausenden geben. So lässt sich etwa in Erfahrung bringen, dass der Marineoffizier Wrangell nicht nur Namensgeber einer Stadt, sondern auch eines Berges und eines Indianerstammes (!) wurde. Die ungewöhnlichste Pflanze des Botanischen Gartens in Berlin, die südwestafrikanische Welwetschia, die nur zwei bandförmige Blätter trägt und mehrere hundert Jahre alt werden kann, ist dagegen nach ihrem Entdecker, dem Kärtner Botaniker Friedrich Welwitsch, benannt.

Doch auch kurzweilige Namensgeber, wie der schwedische Wikinger Gardar, der Island als erster umrundete und nach dem die als „Snaeland“ (Schneeland) bekannte Insel anschließend „Gardarsholm“ (Gardars Insel) genannt wurde, finden sich an. Dass ausgerechnet der 1855 in den Sudan gereiste Eduard Vogel von einem misstrauischen Sultan erschlagen wurde, weil er Hühner und Eier esse, wie der Sudanreisende Gustav Nachtigal berichtete, gehört zu den zahlreichen Querverweisen und interessanten Bemerkungen, an denen es diesem einzigartigen, mit alten Stichen üppig illustrierten Nachschlagewerk nicht mangelt. Wolfgang Müller
‚/B‘John D. Barrow: „Die Entdeckung des Unmöglichen“. Spektrum Akademischer Verlag 1999, 400 Seiten, 49,80 DM Pleticha/Schreiber: „Lexikon der Entdeckungsreisen“, 2. Bd. Edition Erdmann 1999, 640 Seiten, 89 DM