Schröder droht mit Ausstiegsgesetz

■ Sogar der Kanzler wirft den Atomkonzernen nun Verzögerung vor

Fast ein Jahr hatte er alles dafür getan, den Atomkonzernen den Ausstieg aus der Kernenergie so gemütlich wie möglich zu machen und Druckmittel wie zwangsweise sicherheitstechnische Überprüfungen oder die Novelle des Energierechts freiwillig aus der Hand gegeben. Jetzt, nachdem der Atomunfall in Japan sogar die Bild zu Schreckensszenarien motiviert hatte, schwenkt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) offenbar doch noch um. Auf dem SPD-Parteitag am Samstag in Bochum warf er der Stromindustrie vor, sie verzögere die Ausstiegsverhandlungen. Wenn sie so weitermache, werde es gesetzliche Regelungen geben, bei denen nicht lange nach der Zustimmung der Atommanager gefragt werde, sagte Schröder.

Damit tat Schröder nichts anderes, als den Koalitionsvertrag zu zitieren, in dem SPD und Grüne im Oktober vergangenen Jahres festgelegt hatten, dass sie binnen Jahresfrist mit dem Ausstieg aus der Kernenergie beginnen wollten. Dabei sollte zwölf Monate lang versucht werden, einvernehmliche Regelungen mit der Energiewirtschaft zu treffen. Danach, heißt es im Vertrag, werde man den Ausstieg gesetzlich regeln. Die Konsensgespräche sind nun seit Monaten unterbrochen, SPD und Grüne haben die Kompromissfrist bis zum Jahresende verlängert.

„Mein Eindruck ist langsam, dass auf der anderen Seite auf Zeit gespielt wird“, sagte Schröder. Wenn die Atommanager aus dem Entgegenkommen der Regierung schlössen, SPD und Grüne hätten nicht die Kraft, den Einstieg in eine atomfreie Energieversorgung durchzusetzen, täuschten sie sich.

Schröder hatte dabei mehr Schwierigkeiten als zwei Tage zuvor sein Umweltminister, das japanische Atomunglück in die Debatte einzuordnen. Einerseits befürchtete er, man könne ihm vorwerfen, den Vorfall innenpolitisch auszunutzen. Andererseits wollte er sich das Argument nicht völlig entgehen lassen. Es müsse eine Stromversorgung aufgebaut werden, bei der man nicht mehr von „dieser gefährlichen Form der Energie abhängig ist“, sagte er schließlich. Beate Willms