■ Kommentar
: Die Bevölkerung ist gefragt  Für Japan gibt es Alternativen zur Atomkraft

Bisher hat die Atomkatastrophe im japanischen Tokaimura auf der Skala der Internationalen Atombehörde IAEO den Level 4, könnte aber auch Level 5 bekommen. Die Skala geht von 0 bis 7, und Tokaimura bekommt den Ehrenplatz als einer der drei schwersten Unfälle der weltweiten Kernkraftgeschichte. Ursachen: bodenlose Schlamperei, menschliches Versagen, Dummheit, Oberflächlichkeit, Firmenarroganz, kriminelle Energie.

Die Behauptung der deutschen Atomindustrie, das könne hierzulande nicht passieren, ist Unsinn und irrelevant. Es geht nicht darum, ob es genauso hier passieren kann, ob es hier eine solche Anlage gibt, ob deutsche Firmen per Mentalität vorsichtiger und besser sind. In Japan war ein Unfall in dieser Anlage schlicht nicht vorgesehen. Selbst wenn es ähnliche Anlagen hier nicht gibt, gibt es sie woanders – wo ich nicht bin, kann passieren, was will? Und das in diesen globalisierten Zeiten? Sollen wir warten, bis es heißt, die Sushis in den beliebten japanischen Bars in Düsseldorf seien kontaminiert?

Menschliches Versagen ist nie und niemals auszuschließen, denn das hieße, den Menschen nicht Mensch sein zu lassen. Nur: Im Falle der Atomkraft ist menschliches Versagen tödlich. Die Frage sollte also nicht lauten: Kann es übermorgen hier, in Japan oder sonstwo passieren? Sondern: Was ist die Alternative?

30 Prozent der Energieversorgung Japans stammen aus der Atomkraft und sind, so die Position der Regierung, nicht zu ersetzen. Das ist kaum zu glauben. In Japan arbeiten Solaranlagen, Wellenkraftwerke, Müllverbrennungsanlagen mit Stromerzeugung, lokale geothermische Werke, Windenergie. 1996 startete Tokio ein 70.000-Dächer-Programm mit Photovoltaikanlagen – und wurde von Anfragen von Hausbesitzern derart überrannt, dass nur ein Bruchteil bedient werden konnte. Ansätze für eine Wende sind also da. Trotzdem setzt Japan in seinem Energiebudget weiterhin auf Nuklearenergie und traditionelle Energieträger. Mit dem neuen Unfall dürfte das Bedürfnis nach Sicherheit, die Nachfrage nach anderer Energieerzeugung steigen. Technologie und Kreativität sind vorhanden – die japanische Bevölkerung muss nach dem Schock nur nachschieben. Und auch hierzulande sollten Politiker und Bevölkerung den Beteuerungen der Atomindustrie nur das halbe Ohr schenken, das sie verdienen. Maike Rademaker