Kackegal, was die machen“

■  Berlins Obdachlose „scheißen“ auf die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Beim letzten Mal gingen nur 40 von ihnen wählen. Eine Wahlumfrage der Zeitung „motz“ scheiterte am mangelnden Interesse

Peter (37) und Klaus (50) löffeln mechanisch ihren Eintopf in Berlins größter Suppenküche für Obdachlose in Pankow. Sie kommen fast jeden Tag, um sich hier bei den Franziskanern die einzige warme Mahlzeit ihres Tages zu holen. Die Nacht haben sie, wie immer, zusammen im Freien verbracht. Der gemeinsame Kampf um die nächste Zigarette, das nächste Essen, einen Schlafplatz bestimmt ihren Tag – nicht Politik.

Dass Berlin das Abgeordnetenhaus neu wählt, ist Peter und Klaus egal – sie wissen es nicht einmal. Wie die beiden werden sich wohl die meisten der 500 Wohnungslosen, die täglich in die Suppenküche kommen, nicht ins Wählerverzeichnis eintragen lassen, meint Bruder Johannes, der die Suppe austeilt. Bei der Wahl vor vier Jahren haben in Berlin gerade mal 40 Obdachlose gewählt. Nach Schätzungen der Obdachlosenzeitung motz leben derzeit 7.000 Menschen in Berlin auf der Straße, die Sozialverwaltung geht von maximal 4.000 Obdachlosen aus.

Um wählen zu dürfen, muss sich jeder Wohnungslose in einem Bezirksamt in das Wählerverzeichnis eintragen lassen. Entscheidend für die Auwahl des Bezirks ist die Nacht vom 4. zum 5. September. Dort, wo der Obdachlose diese Nacht verbracht hat, darf er auch wählen – wenn er im zuständigen Bezirksamt eine eidesstattliche Erklärung unterschreibt. Darin muss stehen, dass er keinen festen Wohnsitz hat und seit Juli nicht im Melderegister verzeichnet ist. Unterschreibt er, bekommt er einen Wahlschein und kann damit sofort per Briefwahl abstimmen – oder am Sonntag wie alle in einer der Wahlstuben des Bezirks.

Die meisten Obdachlosen interessiert das, wie Peter und Klaus sagen, „nicht die Bohne“. „Aus mangelndem Interesse“ thematisiert auch die Obdachlosenzeitung motz die Wahlen nicht, heißt es in der Redaktion. Eine repräsentative Wahlumfrage unter Wohnungslosen sei an ihrem Desinteresse gescheitert.

Auch Peter hat andere Sorgen. Mehrmals saß der arbeitslose Zimmermann im Knast, hat über zehn Entziehungskuren hinter sich. Eines Tages hat ihn seine Freundin rausgeschmissen. Seitdem lebt er auf der Straße, von weniger als zehn Mark Tagesgeld.

Peter beschwert sich nicht. „Jammern tun wir schon lange nicht mehr.“ Wer jammert, so erzählt er, fliegt aus der kleinen, eingeschworenen Clique aus Obdachlosen, in der sich jeder um den anderen kümmert. „Wir lassen keinen liegen“, sagt Klaus. Er bekommt immer häufiger epileptische Anfälle, ist auf die Hilfe der anderen angewiesen.

Karen Heinrichs