Zweifel am japanischen Atomprogramm

Anwohner der havarierten Atomanlage Tokaimura fürchten verseuchte Lebensmittel, Bauern haben Angst vor Umsatzeinbußen. Als Ausstiegsstrategie fordern Kritiker eine höhere Energieeffizienz  ■   Von Maike Rademaker

Berlin (taz) – Unter der japanischen Bevölkerung wachsen Unmut und Angst, während die Regierung nach dem schweren Atomunfall in der Atomfabrik Tokaimura mit beruhigenden Meldungen an die Öffentlichkeit geht. Wie die regierungsunabhängige Organisation „Citizens Nuclear Information Center“ (CNIC) in Tokio sagte, sind besonders Einwohner und Bauern der Gegend besorgt über eine mögliche radioaktive Verstrahlung des Gemüses.

Zwar seien die Messungen zum Unfall am vergangenen Donnerstag noch nicht abgeschlossen. Aber auch wenn die Felder nicht verseucht seien, würden die Bauern ihre Produkte wohl nicht mehr los werden, so CNIC. Denn die Verbraucher würden annehmen, dass die Lebensmittel verseucht seien. Nach Information von CNIC denken die Bauern nun über Kompensationsforderungen an die Betreiber der Atomanlage oder die Regierung nach.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die seit Sonntag vor Ort eigene Messungen vornimmt, warnte öffentlich vor weiterhin hohen Werten unmittelbar um das Werk. Bei den noch am Montag gemessenen 0,4 Mikrosievert pro Stunde müssten die Straßen wieder gesperrt werden. Die japanische Regierung hatte die Absperrung im Umkreis von 350 Metern um die Anlage schon am Samstag wieder aufgehoben. Laut Greenpeace nehmen die Werte mit wachsenden Abstand zur Anlage ab und seien in 200 Meter Entfernung wieder normal.

Nach Angaben von CNIC will die japanische Regierung ihre Pläne zur Verwendung von Mischoxid-Brennstäben (MOX) in Uran-Reaktoren vorerst einfrieren. Zwei japanische Stromversorgungsunternehmen hatten insgesamt 40 Brennelemente mit hochradioaktivem Plutonium in Europa bestellt. Das letzte der beiden Schiffe mit der brisanten Ladung wird gerade in Japan entladen.

Energieexperte Veit Bürger von Greenpeace konnte die japanischen Absichten zur MOX-Verwendung gestern allerdings noch nicht bestätigen. „Was stimmt, ist, dass mit MOX-Elementen betriebene Reaktoren schwerer zu steuern und abzuschalten, also insgesamt schwer bedienbar sind“, sagte er. Eine solche Absichtserklärung würde daher aus strategischen Gründen Sinn machen, um die angekündigte Überprüfung der Anlagen erst vorzunehmen. In seiner Nuklearpolitik habe Japan aber immer daran festgehalten, mit MOX-Elementen zu arbeiten.

Gleichzeitig flammt in Japan die Diskussion um Alternativen zur Kernenergie wieder auf. CNIC hält besonders Energiesparmaßnahmen und den Einsatz energieeffizienter Geräte für einen möglichen Weg aus der nuklearen Versorgung. „Energie ist in Japan seit langem viel zu billig. Mit dem Wirtschaftsboom seit 1960 ist der Energiekonsum und die Produktion nach oben geschossen, ohne dass jemand an Energiesparen gedacht hat. Das war hier nie ein Thema – entsprechend hoch ist das Einsparpotential“, sagte Mika Ohbayashi, Energiexpertin bei CNIC. In Japan werde ungeheuer viel Energie verschwendet. „Allerdings muss die Regierung dann in ihrer Preisgestaltung auch einen Anreiz zum Sparen und zum Bau energieeffizienter Geräte geben.“ Weitere Möglichkeiten sieht sie in dem Einsatz konventioneller Energieträger wie Erdgas und in den erneuerbaren Energien.