War es ein Attentat?

Unter mysteriösen Umständen rammte ein Lkw das Auto des serbischen Oppositionellen Vuk Draskovic. Vier seiner Begleiter sind tot. Er wertet den Unfall als Mordanschlag  ■   Aus Belgrad Andrej Ivanji

Er überlebte. Der serbische Oppositionspolitiker Vuk Draškovic, Vorsitzender der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ (SPO), zog sich bei einem mysteriösen Autounfall auf einer Landstraße in der Nähe von Belgrad nur leichte Verletzungen zu.

Ein Lastwagen mit Belgrader Kennzeichen soll plötzlich ausgeschert sein und rammte den BMW, in dem normalerweise Draškovic fährt, und den Wagen, in dem er ausnahmsweise hinterherfuhr. Seine drei Leibwächter und ein hoher SPO-Funktionär, der Bruder von Draškovic' Frau Danica, kamen dabei ums Leben. Der Lkw-Fahrer flüchtete.

„Es war offensichtlich ein Attentat auf mich. Wer etwas anderes behauptet, lügt. Wehe den Tätern!“, drohte Draškovic mit bebender Stimme unmittelbar nach dem Unfall. Es sei ein Wunder, dass er überlebt habe.

Der „politische Unfall“ löste in der politischen Szene Belgrads große Unruhe aus. Der Anwalt Borivoje Borovic, der den Unglücksort besichtigte, kommt zu der Beurteilung, dass „die Sache faul“ sei. Man könne davon ausgehen, dass es der Lkw auf die Autos abgesehen habe. Dass der Fahrer gestern verhaftet wurde, wertet Borovic „als klares Zeichen dafür, dass das Regime vor Draškovic Angst hat.“

Erst vergangene Woche konnten sich die „Allianz für den Wandel“, die täglich Anti-Miloševic-Demonstrationen organisiert, und Draškovic' SPO, die auf Neuwahlen setzt und bisher gegen Massenproteste war, auf einen Minimalkonsens einigen.

Es war ein kleiner, doch bedeutender Schritt, der die Animosität zwischen Draškovic und Zoran Djindjic, dem Vorsitzenden der „Demokratischen Partei“ (siehe Interview), überwinden und die Opposition vereinigen sollte.

Die Allianz konnte bisher nur einige tausend Bürger in ganz Serbien dazu bewegen, sich den Massenkundgebungen anzuschließen. Dagegen verfügt der charismatische, aber politisch wirre Draškovic über eine kompakte, gut organisierte und im ganzen Land verbreitete Parteistruktur und den einflussreichen Sender „Studio B“.

Doch Draškovic, der noch vor einem halben Jahr jugoslawischer Vizepremier war, vertrat zunächst den Standpunkt, dass Massenkundgebungen „reine Zeitvergeudung“ seien. Stattdessen solle man das Regime dazu zwingen, vorzeitige Wahlen unter „fairen Bedingungen“ auszuschreiben. Wie, das erklärte Draškovic allerdings nicht.

Erst vor wenigen Tagen schien der unberechenbare Politiker seine Taktik möglicherweise doch verändern zu wollen. Die taz konnte in der SPO erfahren, dass sich Draškovic überlege, eventuell doch auf öffentliche Proteste setzen zu wollen, da das Regime nicht die geringste Bereitschaft zeigt, die Wahlen zu ermöglichen.

Über Nacht änderte „Studio B“, das die Protestwelle in Serbien zunächst ignorierte, seine Redaktionspolitik. Plötzlich empörte man sich über die Brutalität der Polizei, die Führer der Allianz kamen zu Wort, die Massenkundgebungen wurden geschickt vom Boden aufgenommen, sodass die Menschenmasse größer wirkte.

„Wann immer wir wollen, können wir hunderttausende von Menschen auf die Straße bringen“, kann man in den Parteiräumen der SPO in Belgrad hören. Und das glaubt man sofort, denn bisher war Draškovic der Anführer aller Massendemonstrationen gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloševic. Gewissermaßen liegt das Schicksal des jugoslawischen Präsidenten gegenwärtig in Draškovic' Händen.

Die Massenkundgebung am Sonntag begannen die politischen Führer der „Allianz für den Wandel“ am Platz der Republik im Zentrum Belgrads vor einigen tausend Menschen mit einer Schweigeminute zu Ehren der umgekommenen SPO-Funktionäre. Danach führten sie den Protestmarsch durch die Innenstadt an. Zwar versperrten ihnen einige Polizeikordons den Weg, doch es kam diesmal zu keinen Auseinandersetzungen.