Stoiber hilft Haider: FPÖ soll an die Macht

■  Der bayerische Ministerpräsident empfiehlt seinen Freunden von der österreichischen ÖVP, eine Koalition mit der Rechtsaußenpartei einzugehen. SPD-Bundesgeschäftsführer Müntefering verwundert, Grüne empört

Berlin (taz) – Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber hat gestern der bürgerlich-konservativen ÖVP zu einer Koalition mit der europa- und ausländerfeindlichen FPÖ geraten. In einem solchen Bündnis müsse die ÖVP aber die Führung behalten, sagte Stoiber und nannte zwei weitere Bedingungen: Haider dürfe nicht Regierungsmitglied werden, und die FPÖ müsse ihren „Anti-Europa-Kurs“ aufgeben. Er könne sich vorstellen, dass FPÖ-Chef Jörg Haider weiter Landeshauptmann (Ministerpräsident) in Kärnten bleibe und die ÖVP dann mit der FPÖ einen Neuanfang wagen könne, sagte Stoiber am Rande einer CSU-Vorstandssitzung in München. Er wage diesen Rat, weil er seit vielen Jahrzehnten freundschaftliche Verbindungen zur ÖVP habe.

Dagegen zeigte CDU-Chef Wolfgang Schäuble wenig Neigung, der österreichischen Schwesterpartei seine Ansichten aufzudrängen: „Wir sind uns im Präsidium einig, dass wir der ÖVP keinen Rat und erst recht keinen öffentlichen geben wollen“, sagte er in Berlin.

Franz Müntefering, desiginierter SPD-Generalsekretär, zeigte sich „verwundert“, dass Stoiber eine Koalitionsempfehlung zugunsten des „gelinde gesagt Rechtspopulisten“ Haider gegeben hat. Er hofft, dass „die Strategen von der Union sich dazu klar äußern“.

Müntefering sagte, die FPÖ habe mit unerfüllbaren Versprechungen und „kaum verhüllter Demagogie“ auf Ressentiments gesetzt und einen „billigen Sieg“ errungen. Die Verluste der SPÖ änderten nichts daran, dass der österreichische Bundeskanzler Viktor Klima sein Amt weiterführen müsse. Klimas SPÖ hatte bei der Nationalratswahl am Sonntag das schlechteste Wahlergebnis seit dem ZweitenWeltkrieg erzielt. Die FPÖ hatte am Sonntag 7 Prozent hinzugewonnen und die ÖVP mit 28,1 Prozent aller Wählerstimmen als zweitstärkste Partei abgelöst.

In den Augen der bayerischen SPD-Landesvorsitzenden Renate Schmidt macht Stoiber sich „unverantwortlicherweise zum eifrigen Steigbügelhalter für einen Politiker, der mit nationalistischen und ausländerfeindlichen Parolen im Trüben fischt“. Die bayerischen Grünen warfen dem Ministerpräsidenten vor, er mache den „Rechtsaußen“ Haider hoffähig. Haider stehe in einer Linie mit dem französischen Rechtsradikalen Le Pen und den deutschen Rechtsextremen Schönhuber und Frey. In Israel hat der Aufstieg von Jörg Haiders FPÖ für große Entrüstung gesorgt. Israels Staatspräsident Eser Weizman riet Österreichs Juden, sofort das Land zu verlassen und nach Israel zu emigrieren.

In Wien begannen gestern erste Sondierungsgespräche zwischen SPÖ und ÖVP. Mit einem Auftrag zur Regierungsbildung durch Bundespräsident Klestil wird erst im November gerechnet. Ob die FPÖ aus den Wahlen als zweitstärkste Kraft hervorgeht, wird sich erst in einigen Tagen klären lassen. Noch hofft die ÖVP, nach Auszählung aller Briefwahlunterlagen Haiders Truppe überholen zu können. Karin Nink Tagesthema Seite 3
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