Private Aufpasser in Dienste des Staates

Zunehmend vergibt der Staat Aufgaben, um die sich bislang Polizisten kümmerten, an private Wachschützer – ohne für eine gesetzliche Regelung der Sicherheitsbranche zu sorgen. Das soll nun anders werden  ■   Von Georg Löwisch

Berlin (taz) – In ihrer Zeitschrift Unbequem hat die Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten eine Extraspalte für Nichtpolizisten eingerichtet. In der Rubrik „Schwarze Schafe“ wird dort von gewalttätigen Übergriffen privater Sicherheitsdienste berichtet. Im sauerländischen Warstein etwa habe ein privater Aufpasser einen 33-jährigen Ladendieb wegen ein paar CDs so lange in den Schwitzkasten genommen, bis dieser erstickte.

Dass sich die kritischen Polizisten mittlerweile auch um ihre privat-kommerziellen Kollegen kümmern, hängt mit dem Aufblühen der Branche im letzten Jahrzehnt zusammen. Mitte der 80er Jahre gab es in Deutschland rund 720 private Wach- und Sicherheitsfirmen mit einem jährlichen Umsatz von 1,2 Milliarden Mark. Inzwischen erwirtschaften 120.000 Sicherheitsleute in 2.000 Firmen 5,4 Milliarden Mark Umsatz. Etwa ein Drittel der Aufträge kommt dabei vom Staat. Private Sicherheitsdienste patrouillieren in U-Bahnen, kontrollieren an Flughäfen und bewachen Behörden wie das Bundeskriminalamt. Weil der Staat sparen muss, vergibt er an die Privaten zunehmend Aufgaben, um die sich bisher Polizisten kümmerten. „Alle Aufgaben der inneren Sicherheit können nicht mehr durch die Polizei bewerkstelligt werden“, sagt Andreas Paulick, Vizegeschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen: „Gewaltmonopol des Staates ja, Sicherheitsmonopol nein.“

Doch die Sache hat einen Haken. Im Gegensatz zur Polizei ist für private Wachschützer weder eine fundierte Ausbildung vorgesehen, noch sind ihre Befugnisse klar definiert. Zu einer gesetzlichen Regelung der Branche hat sich die Politik bislang nicht durchringen können. Zunehmend bewegen sich die privaten Aufpasser in einer rechtlichen Grauzone.

Eigentlich hat ein Wachschützer – und sieht die Uniform noch so amtlich aus –ß nicht mehr Rechte als jeder Bürger: die sogenannten Jedermannsrechte, nach denen sich jeder verteidigen, einem angegriffenen Mitbürger zur Hilfe kommen oder einen Straftäter auf frischer Tat festnehmen darf. Dennoch maßen sich Wachleute oft mehr an. Thomas Brunst aus Kassel, Vorstand bei den kritischen Polizisten, hat sich oft über viele kleine Rechtsverstöße von Wachschützern geärgert: Sie kontrollieren Personalausweise oder nehmen Leute ohne Grund fest. „Die meisten sind so schlecht ausgebildet, dass sie überhaupt nicht wissen, was sie dürfen oder nicht.“

Für die Ausbildung im privaten Sicherheitsgewerbe gibt es nur magere Anforderungen. Wer Wachschützer werden will, muss laut Gewerbeordnung einen dreitägigen Schnellkurs der Industrie- und Handelskammer absolvieren. 24 Unterrichtsstunden sollen reichen für: Recht der öffentlichen Sicherheit, Gewerberecht, Bürgerliches Gesetzbuch, Strafrecht, Waffenrecht, Sicherheitstechnik und – nicht zu vergessen – den „Umgang mit Menschen“. Abschlussprüfungen gibt es nicht, es besteht lediglich Anwesenheitspflicht.

Polizeichefs und Gewerkschaften verlangen schon seit Jahren, Befugnisse und Anforderungen zu regeln. Selbst der Hamburger Rechtsprofessor Rolf Stober, ansonsten nicht gegen eine police-private-partnership eingestellt, beklagte vergangenes Jahr einen „Qualifizierungsnotstand“. Auch große Sicherheitsfirmen wollen neue Regelungen – zumindest was die Ausbildung betrifft.

„Wir können uns hier keine Schwachköpfe leisten“

Vor drei Jahren schien die Frage auch im Bundestag angekommen. Die SPD-Fraktion forderte von der damaligen Kohl-Regierung ein Gesetz über „Rechte, Pflichten und Aufgabengebiete privater Sicherheitsunternehmen“. Doch der Vorstoß versandete. Im letzten Herbst muss sich noch mal jemand erinnert haben, denn SPD und Grüne notierten im Koalitionsvertrag das Sicherheitsgewerbe unter „weitere Vorhaben zur Rechtspolitik“. Dann wurde es wieder still.

Die Koalition habe wohl andere Sorgen, mäkelte Reinhard Ottens, Chef des Sicherheitskonzerns Securitas. Um so überraschender kam es, als Innenminister Otto Schily (SPD) Ende Juli plötzlich in einem Interview ankündigte, ein Gesetz sei „in Vorbereitung“.

Die Ankündigung habe „sehr erstaunt“, so Verbandssprecher Paulick. Habe er doch bisher nicht den Eindruck gehabt, dass die Bundesregierung Regelungen des Sicherheitsgewerbes mit politischer Dringlichkeit anfasse. In Teilbereichen hält sein Verband Regelungen aber für notwendig – beispielsweise wenn Private Aufgaben übernehmen, die bisher der Staat wahrgenommen hat.

Auf die Frage, wie viel denn hinter der Ankündigung des Ministers stecke, kann Schilys Pressestelle freilich nur Spärliches vorweisen. Es gebe „Gespräche“ des Innen- und Wirtschaftsministeriums „auf Arbeitsebene“. Nämlich über „mögliche gesetzliche Regelungen“. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums kann auf Nachfrage noch nicht absehen, bis wann erste Vorschläge fertig sein sollen. Angesichts des Tempos, das bisher in der Frage vorlegt wurde, will sich nun die SPD-Fraktion um die privaten Sicherheitsdienste kümmern.

„Unverzüglich“ werde die Fraktion das Thema in Angriff nehmen, sagte Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD, der taz. Vor allem die Anforderungen des Berufsbilds müssten endlich geregelt werden. „Kein Mensch darf an der Wursttheke arbeiten, der kein Gesundheitszeugnis hat.“ Das private Sicherheitsgewerbe betreffe Grundrechte der Bürger. „Wir sollten das nicht mehr so einfach laufen lassen.“

Wiefelspütz hält es für problematisch, dass sich selbst staatliche Stellen nur am Preis orientieren, wenn sie private Sicherheitsunternehmen beauftragen. Hier habe sich leider gezeigt, dass das Billigste nicht immer das Beste sei. Ein Gesetz müsse klare Standards festlegen, an denen sich auch öffentliche Auftraggeber orientierten, so Wiefelspütz. „In diesem empfindlichen Bereich können wir uns keine Schwachköpfe leisten, die nichts gelernt haben.“