Das Finanzkonzept von CDU und CSU geht ins Auge

Die konservative Opposition legt ihren finanzpolitischen Gegenentwurf zu Rot-Grün vor: Steuern senken und beherzt Schulden machen. Wolfgang Schäuble bezeichnet die Vorschlage verblüffenderweise als „Druck der Alternative“  ■   Aus Berlin Karin Nink

„Wenn ein Land schon eine schlechte Regierung hat, braucht es wenigstens ein gute Opposition“, verkündet CDU-Chef Wolfgang Schäuble gestern selbstgefällig nach dem Strategietreffen der Unionsparteien in Berlin. Und die, so will der CDU-Vorsitzende suggerieren, hat das Land. Vergessen die Agonie nach der verloren Bundestaswahl vor gerade mal einem Jahr und die monatelange Apathie, mit der sich die Union auf der Oppositionsbank lümmelte.

Gestärkt von den Wahlerfolgen blickt Schäuble nun auf „ein erfolgreiches Jahr in der Opposition“ zurück und verkauft in scheinbarer Eintracht mit CSU-Chef Edmund Stoiber vor der Bundespressekonferenz die neue Strategie der Union. Schließlich will man die Regierung ja unter den „Druck der besseren Alternative“ setzen. Deswegen haben sich CDU und CSU auf eine gemeinsame Linie der Steuerreform geeinigt und wollen konkrete Eckwerte noch in diesem Jahr vorlegen.

Die Unionsparteien wollen den Eingangssteuersatz „in Richtung 15 Prozent“ und den Spitzensteuersatz „unter 40 Prozent“ festlegen. Das Modell würde für viele Menschen deutliche Steuererleichterungen mit sich bringen. Im Staatshaushalt aber auch eine Finanzierungslücke von 30 bis 50 Milliarden Mark hinterlassen, die nur mit weiteren Schulden gestopft werden könnte.

Hätte die Union als Regierungspartei den Vorschlag, der stark an die nicht realisierten Petersberger Beschlüsse erinnert, verwirklicht, wäre das mutig gewesen.

In der Opposition wirkt der Vorschlag populistisch – und taktisch. Ausgerechnet die CSU, deren Finanzminister Theo Waigel sich in der Europäischen Union regelmäßig zum Oberlehrer in Sachen Staatsverschuldung aufführte, will eine noch höhere Staatsverschuldung in Kauf nehmen, die sowohl gegen das Grundgesetz verstößt als auch gegen den Stabilitätspakt der Europäischen Union.

Am nächsten Wochenende will Edmund Stoiber beim Parteitag der CSU wiedergewählt werden. Da macht es sich nicht schlecht, wenn man sich nach den ganzen Sau(t)ereien der vergangenen Wochen wieder als innovativer Parteiführer verkaufen kann. Und deswegen kann und darf Finanzminister Eichels „Bilanz, die nur vom Sparen redet“, nicht ausreichen, und deswegen wird der Finanzminister nur „die strukturelle Arbeitslosigkeit steigern“.

Weil die Union nicht nur als Mecker-Opposition dastehen will, wird Schäuble nicht müde zu betonen, dass seine Partei im Bundesrat keine Blockadepolitik betreiben will. „Wir werden uns der Verantwortung stellen“, betonte er auch gestern. Aber es könne keine Zusammenarbeit mit der Regierung geben, wo diese „in die falsche Richtung geht“.

Doch genau das tut Rot-Grün in den Augen von CDU/CSU bei fast jedem Sparvorschlag: zum Beispiel Renten. Die Renten zwei Jahre lang nicht an die Nettolohnsteigerung, sondern an die Inflationsrate anzupassen, lehnt die Union kategorisch ab. Das kann sie allerdings auch getrost tun, denn die Regierung ist dabei nicht auf die Unterstützung der Opposition im Bundesrat angewiesen.

Anders bei der Gesundheitsreform. Hier braucht die Bundesregierung die Zustimmung der Union im Bundestag und im Bundesrat. Und diese hält, seit sie nicht mehr auf der Regierungsbank sitzt, nichts mehr von Budgetierung im Gesundheitswesen. Die Methode, mit der auch CSU-Gesundheitsminister Seehofer das System reformieren wollte und sollte, führt nun unter einer grünen Gesundheitsministerin zu einem „Zwei-Klassen-Gesundheitssystem und zu mehr Bürokratie“, so Schäuble. Um die „Amerikanisierung“ des Gesundheitssystems stünden die größte Auseinandersetzungen in den nächsten Wochen noch an, drohte gar Stoiber. Jedoch ohne eine andere Lösungen auch nur anzudeuten.

So bleibt vom „Druck der besseren Alternative“, den Schäuble der Regierung angedroht hat, nicht viel mehr übrig als opportunistische Neinsagerei. Von einer Opposition, die laut Schäuble „jederzeit in der Lage ist, Verantwortung für das Ganze im Land zu übernehmen“, ist die Union jedenfalls noch weit entfernt.