Des Altmeisters Helden

Ironischer Bilderrausch: Maurice Béjarts Junior-Compagnie „Groupe 13“ gastiert mit Che, Quijote y bandoneón auf Kampnagel  ■ Von Marga Wolff

Als Mythenstifter und Theatraliker des Tanzes wird er seit nunmehr 40 Jahren gefeiert: Maurice Béjart, Maître de Ballet des 20. Jahrhunderts und mit seinen 72 Jahren irgendwie immer noch ein bunter Hund, der sich der Jugend verpflichtet fühlt, vor allem dem von ihm selbst ausgebildeten Tanznachwuchs. 13 Absolventen der an seine Compagnie Béjart Ballet Lausanne angegliederten Talentschmiede Rudra haben sich zur Groupe 13 zusammengetan. Für sie hat der Meister sein jüngstes Stück Che, Quijote y bandoneón kreiert, mit dem die blutjunge Truppe seit der Uraufführung im Mai zum Auftakt des Kulturhauptstadtprogramms '99 in Weimar durch Europa zieht. Die Kampnagelleitung zögerte nicht, als sich eine Lücke im Tourneeplan auftat, und verpflichtete die begehrte Produktion kurzfristig für ein Gastspiel vom 12. bis 17. Oktober.

Kühn hat Béjart hier unterschiedliche Mythenstränge verknüpft und wagt mit der Begegnung der Romanfigur des Ritters Don Quichotte mit dem argentinischen Guerillero Ernesto „Che“ Guevara einen Zeitsprung von 350 Jahren. Frei nach dem Motto: Jede Generation braucht ihre Helden und etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Und das Bandoneon spielt sehnsuchtsvolle, bittersüße Tango-Melodien. Ein bisschen Kitsch und (schwule) Erotik gehören dazu. Béjart liebt das Pathos, aber nicht ohne Witz. Und ein romantischer Verführer ist der Altmeister allemal.

In Che, Quijote y bandoneón setzt er einen Bilderrausch in Gang, der bislang, so bescheinigen es die Kritiken, das Publikum bei jeder Aufführung zu Begeisterungsstürmen hingerissen habe. Den Franzosen reizt das ironische Spiel mit Mythen und Legenden, und er kann sich diebisch daran erfreuen, den Sockel, auf den er seine Helden stellt, selbst auf amüsante Weise ins Wanken zu bringen. Taumelnde Walzerseligkeit hatte er in Wien, Wien, nur du allein gefährlich aus dem Tritt gebracht. Mit geradezu teuflischem Vergnügen ließ er in dem wagnerianischen Tanz-Epos Ring um den Ring die germanische Götterriege mitsamt Balkon zu Boden purzeln. Doch bei all dem kuriosen, teils Revue-artigen Spektakel sind es vor allem seine Tänzerpersönlichkeiten, die stets faszinieren.

Béjart hat mit den Größten gearbeitet: mit Rudolf Nurejew, mit Jorge Donn, Star seines Brüsseler Ballet du Xxe Siècle und von 1987 an (bis zu seinem Tod) des Béjart Ballet Lausanne, mit der Bolschoi-Ikone Maija Plissetzkaja, mit Carla Fracci. Selbst widerspenstige Tanzdiven wie Superstar Sylvie Guillem fressen ihm aus der Hand. Doch nicht minder inspirieren den Choreografen die ganz jungen, vor allem die männlichen Tänzer. Dem Mann im Ballett ein neues Selbstverständnis zu geben, galt seit eh und je ein Großteil seines künstlerischen Schaffens.

200 Elevinnen und Eleven im Alter zwischen 15 und 22 Jahren bewerben sich pro Jahr auf 20 heißbegehrte Plätze der zweijährigen Ausbildung an der Rudra Béjart Studio-Schule. Kein Geld, dafür sechs Tage die Woche um so mehr Fleiß und Hingabe an den Tanz, einschließlich Gesang-, Schauspiel- und Kampfsporttraining, werden hier verlangt. Darüberhinaus verbindet Béjart mit Rudra ein geistiges, soziales und moralisches Credo: „In einer Zeit von Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die, ohne aggressiv zu sein, ein inneres Verlangen haben, sich den anstrengenden und kämpferischen Seiten im Leben zu stellen.“ Hehre Ideale für Tanzlegenden von morgen.

Di, 12., bis So, 17. Oktober, 19.30 Uhr, k6