„Soziales bleibt auf der Strecke“

■ Interview mit dem grünen Haushaltspolitiker Helmut Zachau über die mittelfristige Finanzplanung des Bremer Senats

taz: Es hat in den vergangenen zwei Wochen Beratungen zwischen den Fachressorts und dem Finanzsenator gegeben zu den Haushalten 2000/2001. Wissen Sie als Vorsitzender des Haushaltsausschusses, worum dabei gestritten wurde?

Helmut Zachau, Grüne: Nein. Im Detail weiß ich das nicht. Der Haushaltsausschuss ist damit noch nicht befasst worden.

Alle Senatoren haben den beschlossenen Eckwerten für den Haushalt zugestimmt.

Das hat mich gewundert. Es wird doch ganz massiv zu Lasten von Kultur, Inneres, Bildung, Soziales umverteilt.

Bremen muss ja die Ausgaben so weit herunter fahren, dass im Jahre 2005 ein verfassungskonformer Haushalt vorgelegt werden kann.

Richtig. Aber das geht mit diesem Konzept des Senats nicht. Wenn der Schuldenberg sich um drei Milliarden erhöht bis zum Jahre 2005, dann bedeutet das 180 Millionen Mark Zinsen mehr, die dann jedes Jahr zu bezahlen sind.

Nur Zinsen ohne Tilgung?

Selbstverständlich. Um diese Summe müssen die laufenden Ausgaben noch einmal gekürzt werden. Wenn Finanzsenator Perschau bei dieser erwarteten Schuldensteigerung von derzeit 16,8 Milliarden Mark auf 19,7 Milliarden Mark im Jahre 2005 von einer gelungenen Sanierung spricht, ist das eine Aussage nach dem Muster Operation gelungen, Patient tot.

Wo wird der Bürger die Kürzungen spüren?

Es wird überlegt, Beratungseinrichtungen zu schließen.

Welche?

Das wird im Moment noch nicht offen geagt. Die Arbeitslosenberatung steht zur Disposition, Gesundheitseinrichtungen. Und wenn sich die Situation in Kitas und Schulen weiter verschlechtert, werden noch mehr junge Familien in Richtung niedersächsisches Umland ziehen. Die verlässliche Grundschule ist nicht finanziert.

Was heißt das?

Das würde doch eine bessere Personalausstattung der Grundschulen bedeuten, wenn wirklich zwischen 8 und 13 Uhr ...

Bis zwölf Uhr soll die Verlässlichkeit gehen.

Aber dann wird es ja wieder eng, einen Halbtagsjob kann man damit nicht machen.

Was könnte der Senat anders machen?

Unserer Ansicht nach sollte der Senat die Investitionsprojekte auf die Hälfte streichen und die Mittel zum Schuldenabbau nutzen. Das wären ca. 300 Millionen Mark im Jahr. Das würde für jedes Jahr eine Zins-Entlastung von 18 Millionen Mark bedeuten und einen Weg aus der Zins-Falle aufzeigen. Bei den Investitionsprojekten müsste man gucken, welche sinnvoll sind und welche nicht. Eine Technologie-Offensive an den Schulen wäre finanzierbar und würde auch ökonomisch auf die Dauer mehr Sinn machen als der Ausbau der Bürgermeister-Smidt-Straße für 12 Millionen Mark.

Tilgung von Schulden soll nur noch durch neue Kredite stattfinden. Bedeutet das, dass die Schulden für solche Projekte noch da sind, wenn die Straße längst wieder kaputt ist?

Ja. In der Prognose gibt es zudem verschiedene grundlegende Risiken. Was wird aus dem Länderfinanzausgleich? Was ist mit den Effekten des Investitionssonderprogramms? Was ist mit der Arbeitslosigkeit? Die haben überall die „best-case“-Varianten genommen. Eine nur geringfügige Erhöhung des Zinsniveaus sprengt die gesamte Kalkulation.

Was ist im Jahre 2005 in Bremen los?

Es wird keinen verfassungskonformen Haushalt geben, das gesamte soziale Geflecht wird auf der Strecke bleiben. Bisher ist Lebensqualität für manchen auch ein Grund, in Bremen zu bleiben, nicht nur neue Straßen und die Schlachte.

Gibt es für das Aufstellen eines nicht-verfassungsgemäßen Haushaltes eine Sanktionsinstanz?

Soweit ich das sehe nicht. Ein Konkurs geht nicht, die politisch Verantwortlichen werden wiedergewählt. Int.: K.W.