Diepgens Trumpf    ■ Unlauterer Wettbewerb

Kurz vor der Wahl hat sich Eberhard Diepgen erneut als Ritter für mehr Gerechtigkeit aufgespielt. Beamte in Ost und West sollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten, intonierte Diepgen seinen Lieblingsschlachtruf „Die Tarifmauer muss weg.“ Doch der Versuch, die CDU als Partei der sozialen Gerechtigkeit zu positionieren, ist nicht mehr als ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver.

Die Forderung nach einem Stufenplan für die allmähliche Angleichung der Beamtengehälter ist zwar vollkommen richtig, doch weiß auch Diepgen nicht, wie das bezahlt werden soll. In der Werbung würde man von unlauterem Wettbewerb sprechen, aber im Wahlkampf ist jeder Täuschungsversuch erlaubt.

Schon im Juli hatte Diepgen eine Gehaltsangleichung für die Beamten gefordert. Unternommen hat er nichts. Denn insgeheim weiß auch der Regierende Bürgermeister, dass eine Bundesratsinitiative keine Aussicht auf Erfolg hätte. Wegen der leeren Kassen können es sich derzeit weder der Bund noch die anderen Ostländer leisten, ihren Beamten den vollen Westlohn zu zahlen. Denn die Mehrkosten wären erheblich.

Der Regierungsumzug hat das Thema wieder auf die Tagesordnung gebracht: Nun wird auch Bundesministern bewusst, wie ungerecht die geltende Regelung ist. Im Fall des Bundesjustizministeriums, das einen Dienstsitz in Mitte und einen in Kreuzberg hat, entscheidet sich das Gehalt gar an der zufälligen Frage, an welchem Standort der Schreibtisch steht.

Im Wahlkampf macht sich Diepgen nun einen strategischen Fehler der SPD zu Nutze. Zwar sind auch die Sozialdemokraten für die Angleichung der Beamtengehälter. Doch mit starrem Blick auf die leeren Kassen unternehmen sie nicht einmal den Versuch, mit einem Stufenplan mittelfristig für Gerechtigkeit zu sorgen.

Damit lässt die SPD wieder einmal zu, dass sich die CDU unverdient profiliert. Als Gegenwaffe zitierte Fraktionschef Klaus Böger gestern lediglich das Lebensmotto Diepgens, das dieser der Neuköllner CDU-Zeitung offenbart hatte: „Versprich nichts, was du nicht halten kannst.“ Im Wahlkampf beherzigt die CDU das glatte Gegenteil. Dorothee Winden