Vom Leiden unterm Ladenschluss

■ Politiker der FPD: Denken ist nicht ihr Gewerbe

Freie Liberale haben mit freien Autoren zweierlei gemeinsam: Erstens sind sie beide sehr auf Elternliebe angewiesen. Wie alle Publizisten rackert sich der Autor für Mami ab; der Liberale aber betet schon in jungen Jahren: „Lieber Gott, ich dumme Nuss/ leide unterm Ladenschluss.“ Und tatsächlich: Kaum ist so ein Eselchen erwachsen und kann versfrei sprechen, liest man's in der Zeitung. Seit Inkrafttreten des Ladenschlussgesetzes 1956 bereichert die FDP, viel mehr als jede andere Bande und nun endlich unterstützt von ihren grünen Schwestern, die Welt mit ihrer jährlich und in guten Phasen auch gern vierteljährlich hingeplärrten Überzeugung, es sei verbraucherungerecht und frei ein ein Bürger nur, wenn er sich auch nach Mondaufgang in Waren- respektive Schabbelkäufer und -verkäufer teilen dürfe; in jene Lichtgestalten also, von denen man halt schon dem Paps gesagt hat, strahlender könne das Wesen Mensch nicht in Erscheinung treten.

Zweitens haben beide, und das ergibt sich daraus zwingend, eine eklatante Meise, und wie so viele hominide Vögel wird auch sie gesellschaftlich genährt: „Das Denken selbst“, warnte der schottische Soziologe Ferguson im 18. Jahrhundert, „kann in diesem Zeitalter der Arbeitsteilungen zu einem besonderen Gewerbe werden.“ Im Fall der Autoren mag's noch eher harmlos sein; die eleganten haben an der Hand, was Klügere im Kopf haben, lesen sich flüssig und schaden recht selten. Anders die Politiker der FPD. Weder gehen sie arbeiten, noch ist das Denken ihr besonderes Gewerbe. Sie werden im Gegenteil dafür bezahlt, sich die Gedanken des Gewerbes zu machen, und eben weil das, wie man weiß, immer nur ans Eine denkt, machen ihre Hirnschalen einen so erstaunlich dürren Eindruck: Ausbeutung der Arbeitskraft, Verkauf, Profit – was anderes schwimmt ums Verkalken nicht drin.

Seit Gründung der ersten „nationalliberalen“ Partei vor 130 Jahren geht‘s um eine von Kontrolle und ähnlichen gedanklichen Impulsen freie nationale Wirtschaft, und nach dem Krieg las es sich in liberalen Kreisen unter anderem so: „Wir fordern Wiedergutmachung des Unrechts, das Nationalsozialismus, Siegerwillen und Entnazifizierung schufen. Wir sagen uns los von den Urteilen der Alliierten, mit denen unser Volk und insbesondere sein Soldatentum diskriminiert werden sollen.“

Sie werden's wissen. Politik, als „vom verkommenen Teil unserer kriminellen Schichten bevorzugter Lebensunterhalt“ (Ambrose Bierce), ist eine rechte Schufterei ganz ohne Sinn und Aussicht auf einen weichen Platz im Jenseits, und wenn so einer seine säkulare Auferstehung darin hat, mit dem Erwerb einer Duschkabinendichtungsleistenschraube nicht bis morgen warten zu müssen, dann: möge ihm Gott sie gewähren. Derzeit besteht nur wenig Aussicht, anders als mit Einkauf Existenz ins Sein zu schmuggeln; schon beim Auspacken des neuen Zeugs daheim bespringt den Käufer schließlich die Erkenntnis, dass auch diese Ware nichts verändern, sein Leben für grad fünf Sekunden kolorieren wird. Oder, damit auch unsre liberalen grünen Eselchen was davon haben: „Die Dinge, in Glanz und Leuchten geschlagen,/ Die jung sind und zart fühlen. Bald/ in die tausend Stuben der Stadt getragen,/ Werden sie alt:/ Wenn sie im Dunkel und Elend des Alltags verblühen/ Die Dinge,/ Vor denen die Seelen der Menschen knieen“ (Armin T. Wegner).

Sie müssen ja gar nichts begreifen. Wenn so ein Esel allerdings die Frechheit hat, mich mit dem Wort „Verbraucher“ zu belegen, nur weil mein Sockenhaufen alle ist und ich in eines jener Häuser muss, die zu den hässlichsten, lautesten, verlogensten, von den zerschundensten Frauen bewohnten, entnervendsten und widerwärtigsten gehören, die dies vermutlich blödeste Jahrhundert der Humanhistorie hervorgezaubert hat: den Wahrenhäusern, dann möge es doch bitte in die Hölle fahren und dort bleiben. „Liberalisierung der Ladenöffnungszeit“! Es ist erbärmlich. Macht die Hallenbäder wieder auf! Schließt Fabriken und andere Knäste zwischen 15 und 11 Uhr! Sägt Baggerseen in die sog. Citys! Und versteckt eure Gesetze! Denn was immer ausgeschlafene Menschen mit ihrer Zeit so anstellen werden: Auf den Ladenschluss dürften sie scheißen.

Thomas Gsella