Handtuchhalter mit Menüleiste

■  Superbad: ein kalifornischer Webdesigner macht sich über seine Kollegen lustig

Die ersten Autos sahen aus wie Postkutschen. Nur die Pferde fehlten. Die ersten Websites sahen aus wie ein Seminarpapier aus dem MIT – noch heute enthält der HTML-Code einen Befehl für eingerückte Zitate. Nur das Papier fehlte. Bei den Autos kamen danach Chromleisten und Heckflossen hinzu. An der Grundform der Kutsche änderten sie nichts, auch der Motor bleib meistens da, wo früher die Pferde waren. Nur musste er jetzt mehr leisten, um das tote Gewicht zu bewegen.

Nach den Websites aus dem Informatikseminar kamen die Websites der Designer, die ihren eigenen Beruf soeben neu erfunden hatten. Simple Inhaltsverzeichnisse verschwanden hinter hochauflösenden Grafiken, die Buchstaben begannen zu tanzen, wenn sich der Mauspfeil näherte, und der Programmierslang „Java“ fraß die letzten Reserven des Prozessors auf.

Auch Ben Benjamin, 29 Jahre alt und in San Francisco wohnend, ist Webdesigner. Seit über zwei Jahren schon gibt er seinen eigenen Kommentar ab zu dieser Fortentwicklung einer Funktion zur Fassade. Seine allgemeine Meinung zu den sich täglich vermehrenden Einzelfällen steht schon im Titel seiner Website: Superbad. Sein ständig wachsendes und aktualisiertes Werk besteht inzwischen aus über 50 Einzeltableaus. Es sei eher zufällig entstanden, sagte Benjamin letzten Herbst der Washington Post. Ebensogut hätte er „Fotos aneinanderkleben und in der Stadt verteilen“ können, wehrt er jeden Verdacht ab, selbst ein Prophet des Wundermediums zu sein. Die Adresse www.superbad. com hat zunächst Verwirrung ausgelöst. Ein Stil ist nicht erkennbar. Poppig verfremdete Mao-Porträts wechseln ab mit blühendem Kitsch und strengen Op-Art-Mustern. Handelte es sich um Kunst? Auf dem Kunstserver 138.org (www.one38.org) genießt Benjamin Gastrecht, viele andere in der einem elitären Selbstbewusstsein zuneigenden Szene der Webkunst hielten alles nur für einen schlechten Witz.

Superbad ist beides, ein großes Kunstwerk und ein großer Witz. Es ist die Satire des Webdesigns, dessen Moden Benjamin mit erstaunlichem Scharfblick fixiert. Seine Antworten sind lakonisch. Die zur Zeit beliebten psychedelischen Pastellträume laufen alle auf .com hinaus. Und was sind Zappelmenüs und Wackelbilder? Handtuchhalter. So heißt ein Kapitel von Superbad, dessen Navigationsrahmen eine weiß umrandete Figur im Hauptfeld ein wenig in die Höhe zucken lässt. Tatsächlich könnte sie das Piktogramm eines Handtuchhalters an der Badezimmerwand sein. Seine Animation auf einer Website ist so unsinnig komisch, dass sie eine ganze Generation von Webspielereien ad absurdum führt.

Nach dem Chrom kam bei den Autos die Eiform aus dem Windkanal. Ziemlich sicher wird schon im nächsten Jahr das Textmenü und die Druckfassung des reinen Inhalts den Designerschwulst ersetzen. Dann kann Benjamin sein Meisterwerk abschließen und ins Museum stellen. Auf halbem Wege dazu ist es ohnehin schon. Der „Webby Award“ (www. webbys.com), der einzig ernst zu nehmende, erst nach drei Evaluationsstufen vergebene Preis für Webdesign, ging 1999 an Superbad. Nicht in der Kategorie „Kunst“ – diesen Preis bekam das belgisch/niederländische Duo Joan Heemskerk und Dirk Paesmans (jodi.org). Auch ihren zum Markenzeichen geronnenen Stil hat Ben Benjamin gelegentlich parodiert. Er selbst gewann nur in der Kategorie „Weird“. Ein Missverständnis: Nicht Benjamin, das Web ist seltsam. Niklaus Hablützel

niklaus@taz.de