Belgien schiebt Roma ab

■ Die neue Regierung bricht ihre Zusage einer humaneren Asylpraxis

Brüssel (taz) – Eine neue Asylpolitik der „Menschlichkeit und Standhaftigkeit“ hatte die neue belgische Regenbogenregierung unter dem Liberalen Guy Verhofstadt Ende September angekündigt. Schlagzeilen macht nun allerdings nicht neue Humanität, sondern eine verschärfte Gangart in der Asylpraxis. Am Dienstag wurden 74 Roma in ihr Herkunftsland Slowakei abgeschoben.

Die christdemokratische Regierung, die im Juni abgewählt wurde, hatte seit dem Herbst des Vorjahres keine abgelehnten Asylbewerber mehr abgeschoben. Damals war eine 20-jährige Nigerianerin im Flugzeug von einem belgischen Polizisten mit einem Kissen „ruhiggestellt“ worden und dabei erstickt.

Seitdem sind die Asylbewerberzahlen in Belgien stark gestiegen. Insgesamt wurden seit Anfang des Jahres 24.500 Asylanträge gestellt, allein im September gab es 4.740 Anträge. Die neue Regierung ist sich mit Menschenrechtsorganisationen einig, dass das Asylverfahren vereinfacht und beschleunigt werden muss. Diese Verbände fordern aber, dass der Abschiebestopp bis zu einer Neuregelung bestehen bleibt. Für Empörung sorgt die Tatsache, dass zwei der abgeschobenen Roma-Familien vor dem Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein Moratorium bis zum 12. Oktober erwirkt hatten. Das belgische Innenministerium will von der Straßburger Entscheidung erst erfahren haben, als das Flugzeug bereits in der Luft war, obwohl die Gerichtsentscheidung rechtzeitig ans Justizministerium in Brüssel gefaxt worden war. „Einen wahren Skandal“, nennt Frederic Bernard vom Anti-Rassismus-Komitee die Tatsache, dass zwischen dem flämischen liberalen Justizminister und dem wallonischen liberalen Innenminister die Kommunikation nicht klappte.

Der Kabinettsentwurf des Asylgesetzes enthält nicht nur repressive Elemente. Mehr als 50.000 illegal in Belgien lebende Ausländer sollen Pässe erhalten, die Integration der seit langem im Lande lebenden Ausländer soll verbessert werden. Zunächst aber sind neue Abschiebungen angekündigt: Bis Ende des Monats sollen insgesamt 450 Roma aus Belgien abgeschoben werden – zur Not mit Gewalt. Daniela Weingärtner