Scharping hat sich verkalkuliert

Der Verteidigungsminister muss den Osttimor-Einsatz nun doch aus seinem Etat finanzieren – und ist damit brüskiert. Der Kabinettsbeschluss straft Scharpings Tricksereien um zusätzliche Gelder ab  ■   Von Karin Nink

Berlin (taz) – Noch am Morgen hat Verteidigungsminister Rudolf Scharping in der öffentlichen Sitzung des Haushaltsausschusses selbstsicher verkündet, dass der Osttimor-Einsatz nicht über den Wehretat bezahlt werde. Drei Stunden später brüskierte ihn das Kabinett. Es hatte beschlossen, die Kosten für den Osttimor-Einsatz, fünf Millionen Mark monatlich, sollen sehr wohl aus der Schatulle des Verteidigungsministers genommen werden.

Offensichtlich haben seine Regierungskollegen Scharping ganz bewusst abgestraft für die Debatte um den Militärhaushalt, die der Minister in den vergangenen Tagen provoziert hatte. Nach dem Willen von Finanzminister Eichel soll Scharping in seinem Ressort bis 2003 insgesamt 18,6 Milliarden Mark sparen. Dagegen macht der Verteidigungsminister geltend, dass die Bundeswehr mehr statt weniger Geld brauche: nämlich mindestens 20 Milliarden Mark. Ansonsten sei die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik in Gefahr.

Scharpings Argumente: Die Bundeswehr ist falsch ausgerüstet. Nach dem Ende des Kalten Krieges sind schwere Panzer wie der Leopard II nicht mehr vonnöten. Die neuen Anforderungen an die Bundeswehr, die sich auch aus den Verpflichtungen ergeben, die Außenminister Joschka Fischer und Bundeskanzler Gerhard Schröder mit der Nato und der Europäischen Union eingegangen sind, erforderten anderes Material; zum Beispiel neue Transportflugzeuge sowie Infrarot- und Radarsatelliten. Die Soldaten seien gut motiviert und ausgebildet, aber das Material der Bundeswehr, vor allem die Transportmaschinen, sei veraltet.

Scharpings Kabinettskollegen wären diesen Argumenten vielleicht noch zugänglich, wenn das Verteidigungsministerium sich nicht mit viel Trickserei längst eine Zusatzfinanzierung gesichert hätte: Die Streitkräfte im Kosovo werden anders als unter Scharpings Amtsvorgänger Rühe nicht mehr über den Verteidigungshaushalt finanziert, sondern mit zwei Milliarden als „Ausgaben für internationale Einsätze im Haushaltsjahr 2000“ über den allgemeinen Haushaltsplan. Unter diesem Titel finden sich zum allgemeinen Erstaunen aber auch 60 Posten, die nur schwer den Balkaneinsätzen zugeordnet werden können: „Neu-, Um- und Erweiterungsbauten“ von Kasernen in Deutschland für mehr als 50 Millionen Mark zum Beispiel.

Soviel Findigkeit in Zeiten knapper Kassen ärgert auch den Koalitionspartner: „Scharping sollte in der Regierungsdisziplin bleiben“ und nicht „Robin Hood“ eines Einzeletats spielen, wetterte der grüne Haushaltsexperte Oswald Metzger gestern. Selbst SPD-Mann Jürgen Kröning sieht für eine Aufstockung des Wehretats „keine Chance“ mehr. Es scheint, als habe Scharping sich verkalkuliert.

Seit einiger Zeit ist das Verhältnis zwischen Scharping und Kanzler Schröder deutlich abgekühlt. Erst vorige Woche in der Kabinettssitzung sollen sie wieder aneinandergeraten sein. Als Scharping im Zusammenhang mit dem Osttimor-Einsatz davor warnte, man solle „keine Schuhe anziehen, die einem zu groß sind“, habe der Kanzler nur geraunzt: „Das musst du gerade sagen.“ Beides, die Diskussion um den Wehretat und die Differenzen mit dem Kanzler, stärken die Position des Verteidigungsministers zur Zeit weder in der Partei noch in der Regierung.