Gemetzel hoch zwei

■ Wie eine einfallsreiche Inszenierung einem Stück schaden kann: Heiner Müllers „Macbeth“ in Bremerhaven

Ein malerisches Bild: Eine riesige Wand aus Containern türmt sich dreigeschossig vor dem Publikum. 15 Spielräume, die Schmalseiten als mächtige Tore, hinter denen die länglichen Kammern sichtbar werden. Sie haben von Weitem etwas Puppenstubenhaftes, und alle Figuren des Dramas scheinen an den Fäden zu hängen, die die drei Hexen auslegen. Die Hexen (Heike Eulitz, Monika Pallua, Sigrid Grajek) sind die Spielmacherinnen in Heiner Müllers Version von Macbeth.

One, Two, Three treffen sich vor der Burg des künftigen Königs von Schottland auf sandiger Spielfläche, in die das Blut der vielen Ermordeten fließen wird. Sie legen ihre schäbigen 50-er-Jahre-Kostüme ab, öffnen die mitgebrachten Koffer und holen weite, helle Röcke und Rokoko-Perücken heraus. Diese drei Hexen mit ihren schwarz zugepflasterten Brüsten sind die bleichen Bräute eines Schicksals, das keine andere Nahrung liefert als eine Kette von blutigen Gewaltakten, die sie mit ihren Polaroid-Kameras ungerührt festhalten.

Müllers „Macbeth“ am Stadttheater Bremerhaven findet nicht auf der Bühne des Großen Hauses statt. Wegen Renovierungsarbeiten hat das Theater sein Stammhaus für eine Saison verlassen. Das Schauspiel hat im nahegelegenen City-Port, einem neu eingerichteten Bootshaus an der Geeste, Unterkunft gefunden. Oberspielleiter Wolfgang Hofmann und Bühnenbildner Lars Peter machen aus der Not eine Tugend. Sie nutzen die streng funktionsgerechte Halle für ein mächtiges Bild, das nirgendwo anders gepasst hätte. Die Container mit ihren verblichenen Farben scheinen direkt aus dem Hafen zu kommen, und so ist die Stadt auf eine ganz besondere Weise in diesem Spiel präsent. Aber mit dem schönen Bild beginnt auch das Problem der Inszenierung.

Die Figuren in den Container-Zellen müssen steif und statisch bleiben, und wenn sie agieren, neigen sie zur Vergröberung. In jeder neu geöffneten Zelle erscheint ein neues Bild, aber für die erste lange Hälfte der Inszenierung wird da-raus kein spannungsreiches Spiel. Das ändert sich erst nach der Pause, in der die Hexen die Toten wegtragen, die mittlerweile im Sand liegen. Dann posieren sie eingefroren auf der breiten, verschiebbaren Treppe, die in die höher gelegenen Räume führt. Nach der Pause öffnen sie mit Eisenstangen fast alle Tore der Container-Burg. Die Festgesellschaft wird sichtbar. Macbeth hat zur Krönungsfeier geladen. Unter den Gästen taucht der Feldherr Banquo (Guido Fuchs) auf, Macbeth hatte den gefürchteten Konkurrenten umbringen lassen, jetzt sitzt er mit nacktem Oberkörper und blutigem Hals im Thronsaal. Immer wieder findet Wolfgang Hofmann solche kräftigen Bild-ideen, die grell wie Comics aufblitzen. Fantastisch das hochkant gestellte Bett, vor dem das Königspaar steht als würde es darin liegen. Viele feine Details und trotzdem ein flauer Spannungsbogen. Das düstere Spiel der Macht droht unter lauten Effekten, lärmenden Trommelgeräuschen, viel Gestöhn und Geschrei verloren zu gehen. Hofmann versucht die leiseren Töne mit einer Musik-Collage von Purcell bis Strawinsky zu retten.

Aber die schönen Melodien wirken häufig beliebig, eine Sammlung von Best-of-Classics, die als süße Soße über die grobe Speise gegossen wird. Diese Speise ist bei Heiner Müller doch nicht nur ein mehrstündiges Gemetzel, sie besteht aus harten Sätzen. Ironisch-unterkühlt, mit Halleffekten verfremdet, werden sie von den Hexen gesprochen, überzeugend auch von Stefanie Knauer als einer kalten, zurückhaltenden Lady Macbeth. Aber die Männer verlieren sich schnell im Chargenhaften, auch ein bemühter Kay Krause als Macbeth kommt über hilflose Gesten selten hinaus. Die dunklen Sätze haben keinen richtigen Klang, sie berühren nicht, das gewaltige Spektakel macht sie nicht lebendig. „Mein Tod wird euch die Welt nicht besser machen“, prophezeit Macbeth vor seinem Tod. Der neue König Malcolm (Dietmar Horcicka) zappelt schon im Netz der Gewalt. Zurück bleibt eins der schönsten Bilder des Abends, aber kein Satz von Heiner Müller. Er ist einfach zugedeckt worden. Hans Happel

Weitere Vorstellungen: 8., 22., 24., 26. Oktober; Karten unter Tel.: 0471/48 20 60