Schreib mal wieder

Die studentische Telefonseelsorge in Hamburg berät neuerdings auch bundesweit online: die E-Mail-Seelsorge  ■   Von Philipp Jarke

Montagabend, Gespräch auf Apparat zwei. Es ist ziemlich spät, aber die beiden TelefonseelsorgerInnen haben für den nächsten Anruf ein offenes Ohr: Ulrike hat Liebeskummer. So nennt sie das – eine Affäre wäre wohl der treffendere Ausdruck. Sie leidet weniger darunter, zwei Männer zu lieben, als vielmehr darunter, dass sie ihren Freund belügt.

Für diese und andere mehr oder weniger alltäglichen Probleme bieten die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der studentischen Telefonseelsorge ihre kostenlose Beratung an. Damit sind hier weniger kluge Ratschläge gemeint: „Die wären seelsorgerische Kunstfehler“, meint Studentenpastor Jan Simonsen. Vielmehr soll sie Hilfe zur Selbsthilfe sein. Die geschulten ZuhörerInnen versuchen die AnruferInnen durch gezieltes Nachfragen dabei zu unterstützen, ihre Situation und Gefühlswelt ehrlich zu hinterfragen und auch mal mit ein wenig mehr Abstand zu betrachten. „Jemandem wie Ulrike raten wir ganz sicher nicht, mit einem ihrer Freunde Schluss zu machen. Unser Vorschlag geht eher in die Richtung, ein klärendes Gespräch zu suchen“, erzählt Jan Simonsen, der nur in Ausnahmefällen selbst am Sorgentelefon sitzt. „Das machen vierzig ehrenamtliche MitarbeiterInnen, die die unterschiedlichsten Fächer studieren.“

Die Zielgruppe der SeelsorgerInnen sind vor allem Studierende, letztlich ist aber jedeR willkommen. Jan Simonsen dazu: „Wir sind natürlich auch offen für Nichtstudierende, vor allem SchülerInnen und UniabsolventInnen. Nach ihrem Status fragen wir die Anrufer nicht.“

Damit die Anrufe noch zahlreicher werden, gehen die SeelsorgerInnen jetzt in die Offensive. Die Zeiten, in denen das studentische Sorgentelefon nur mit ein paar Stickern auf den Unitoiletten geworben hat, sind demnächst vorbei. Dann läuft der neue Spot in den StudentInnenkinos an, und zwar bundesweit. Der Streifen zeigt einen Selbstgespräche führenden, jungen Studenten, dem in der Waschküche bewusst wird, dass er sich von vorn bis hinten – vom Waschprogramm bis zur Islamwissenschaft – überfordert fühlt. Nur der Trockner hört zu.

Dass das nicht so sein muss, sollen die Studierenden im Rest der Republik nun nicht nur erfahren, sie sollen den Beratungsservice auch nutzen können. Und das geht neuerdings auch kostengünstig per E-Mail. „Das Sorgentelefon war bisher praktisch auf Hamburg beschränkt“, erläutert Jan Simonsen. „Durch das Internet ist diese in Deutschland einzigartige Studentenseelsorge nun allen Studierenden zugänglich.“ Die Sorgenmails werden innerhalb von 48 Stunden beantwortet und können auch verschlüsselt verschickt werden. Die notwendige Software liegt auf der Seelsorge-Homepage zum Herunterladen bereit.

Die studentische Telefon- und E-Mail-Seelsorge, wie das Projekt mittlerweile heißt, rechnet nicht zuletzt dank des Werbespots zukünftig mit Mehrarbeit und sucht deshalb neue MitarbeiterInnen. Da die Probleme, mit denen die SeelsorgerInnen konfrontiert werden, auch erheblich belastender sein können als Ulrikes Liebeskummer, werden die Neuen ein Semester lang von einer Psychologin und von Pastor Simonsen geschult. Gegenstand der hundert Unterrichsstunden sind unter anderem das Erkennen psychologischer Krankheitsbilder und ein intensives Kommunikationstraining.

Damit man bei all den Schicksalen, von denen man hört, nicht selbst abstürzt, finden wöchentliche Supervisionen statt. Die Gesprächsrunden mit Psychologin und Pastor soll den MitarbeiterInnen helfen, das Gehörte zu verarbeiten.

Was aus Ulrikes Beziehungskiste geworden ist, werden die SeelsorgerInnen wohl nie erfahren. Nur in seltenen Fällen geben die AnruferInnen ein Feedback. Das scheint an der Universität generell ein Fremdwort zu sein. Seelsorge am Telefon: (040) 41 17 04 11 (tägl. 20 – 24 Uhr), im Internet: www.stems.de, oder per E-Mail: hilfestems.de