Die Cowboys von Bad Reichenhall

Hoch in den Alpen, hart an der Baumgrenze, kommen sie zum Einsatz: die Rekruten von der Tragtierkompanie der Bundeswehr und ihre vierbeinigen Kameraden. In der Gebirgseinheit werden Mann und Maultier zu einer verschworenen Truppe, auf die manches Mädchen vom Ponyhof neidisch werden könnte. Eine Reportage von
Noel Matoff (Fotos) und
Sigrun Matthiesen (Text)

Jetzt komm schon, Denise!“ Der junge Mann mit dem blonden Kurzhaarschnitt versucht es mit allen Mitteln: Er krault ihr den Nacken, er pustet ihr den dunklen Pony aus der Stirn, er tätschelt ihre Wange. Doch Denise schnaubt nur empört, wirft ihre Mähne zurück und schaut ihn aus großen braunen Augen unverwandt an. Die Provokation gelingt. Er brüllt: „Geh endlich weiter!“, und haut ihr mit voller Kraft aufs Hinterteil. Denise setzt sich in Trab, lässt sich wieder ein paar Meter bergan führen, um dann wieder stehen zu bleiben – so stur, wie es sich für ein Maultier nun einmal gehört.

Der junge Mann kennt das, denn die beiden sind schon seit über einem Jahr ein Paar, so lange wie der Obergefreite Schores seinen Wehrdienst bei der Tragtierkompanie der Gebirgsjäger im bayerischen Bad Reichenhall ableistet. Gemeinsam mit 35 anderen Maultieren und 17 Haflingern dient Denise hier der Verteidigung des Vaterlandes – rund 120 Soldaten unterstützen sie dabei. Die letzte Tragtiereinheit der Bundeswehr hat den Auftrag, die Gebirgsjäger in unwegsamen Regionen mit Nachschub zu versorgen, auch dann noch, wenn Helikopter wegen schlechter Sicht nicht mehr landen können. Um dafür gewappnet zu sein, müssen der Obergefreite Schores und seine Kollegen beinahe täglich mit ihren schwer bepackten Tieren irgendeinen Zweitausender besteigen. „Ist doch besser, als in Bielefeld in der Kaserne zu hängen und fernzusehen. Hier bekommt man wenigstens Kondition“, meint der 22-Jährige, der die Berge vorher nur vom Hörensagen kannte. Da sind ihm die Urbayern unter den Rekruten um einiges voraus – doch auch von denen hatte vorher kaum jemand mit Pferden zu tun – schließlich sind sie ja keine Mädchen.

Nach ihren achtzehn Monaten bei den Gebirgsjägern können diese Jungs zwar immer noch nicht besonders gut schießen, aber sie haben viele nützliche Dinge gelernt, um die sie manche 13-Jährige beneiden würde: Hufe säubern, satteln, striegeln und sogar streicheln.

Nach Stallwachen in stockdunklen kalten Gebirgsnächten, in denen sie nur das Heu der Tiere gewärmt hat, bekommen sie eine Ahnung davon, wie sich der Marlboromann fühlt. Gegen Ende ihres Wehrdienstes brauchen die meisten ihr Tier nur noch anzusehen, um zu wissen, was ihm fehlt. Manche Rekruten von der Tragtiereinheit sollen sogar geheult haben, an ihrem letzten Tag mit den Mulis. Aber das würde natürlich nie jemand zugeben – schließlich sind es ja die Frauen, die „einen Schuss haben mit Pferden“.