Oldenburgs Kramermarkt bringt sich durch pöbelnde Skinheads in die Schlagzeilen / Übergriffe häufen sich / Polizei wird Kirmes-BesucherInnen durch verstärkte Streife absichern

„So manches Herz dürfte seit gestern in Oldenburg höher schlagen“, kommentierte die Nordwest Zeitung am letzten Wochenende die Eröffnung des 392. Kramermarktes auf dem Freigelände der Weser-Ems-Halle. Wie sehr sich diese Einschätzung für einige Besucher des Festes bewahrheiten sollte, wurde sowohl in der Nacht zu Sonnabend als auch in der Nacht zu Sonntag in besonders negativer Weise deutlich. Zum Kra-mermarkt-Auftakt benahm sich eine Gruppe von 15 randalierenden Skinheads im Bayernzelt bei Alkohol und Blasmusik zunehmend aggressiver. Sie brachten ihre Gesinnung zuerst lautstark und später auch handgreiflich zum Ausdruck. Bevorzugtes Opfer waren an diesem Wochenende nicht – wie in den Wochen zuvor – Punker aus der Innenstadt, sondern ausländische Mitbürger. Zwei von ihnen wurden in der Nacht zu Sonnabend angepöbelt und geschlagen, einer erlitt durch einen Schlag mit einem Bierglas eine Risswunde.

Trotz Polizeipräsenz versammelten sich auch in der Nacht zu Sonntag rund 40 Randalierer im Festzelt. Ein Teil von ihnen wird dem harten Kern der rechten Szene Oldenburgs zugeordnet, den Rest bezeichnete die Polizei als „Trittbrettfahrer“. Wieder kam es zu Übergriffen gegen Passanten, wobei die Skinheads diesmal sogenannte „Kopfnüsse“ verteilten.

Ein Jugendrichter erließ bislang gegen einen 15jährigen Skinhead Haftbefehl. Der jugendliche Rechtsradikale hatte im Bayernzelt mehrere Besucher verletzt und „Sieg Heil“ Rufe skandiert. Auch ein weiterer Jugendlicher, der laut Polizeisprecher Rudolf Riesmeier „einen Farbigen attackiert hatte“, hat seine Tat eingestanden. Gegen vier weitere Randalierer wird bislang noch ermittelt.

Riesmeier schließt nicht aus, dass an diesem Wochenende erneut Skinheads auftreten, um auf dem Kramermarkt Randale zu machen: „Um dem vorzubeugen, haben wir zusätzlich zu einer Marktwache, die schnell auf Übergriffe reagieren kann, auch in erhöhtem Maße Polizeikräfte zur Verfügung gestellt“, erklärte Riesmeier gegenüber der taz. Innerhalb der Woche kam es nach seinen Angaben zu keinen weiteren Übergriffen.

Trotz der massiven Vorfälle der letzten Zeit geht Jörn Stilke, Leiter des 1. Polizeikommissariats, von keiner organisierten rechten Szene in Oldenburg aus. Die Vorfälle stuft er als „nicht schwerwiegend“ ein. Er räumte jedoch ein, daß in Oldenburg ein „harter Kern“ von etwa 15 Rechtsradikalen bestehe.

Oldenburgs Skinheads bringen sich seit Wochen vermehrt durch immer brutaler werdende Übergriffe in die Schlagzeilen (siehe taz vom Sa./So., 2./3. Oktober). Erst vor vier Wochen hatten sie eine Punker-WG in der Alexanderstraße angegriffen. Auch zuvor waren Jugendliche aus der linken Szene in der Innenstadt attackiert worden. Ein Punk erlitt dabei einen Messerstich in den Rücken. Bei den Ausschreitungen auf dem Kramermarkt griffen die Rechtsradikalen erstmalig nicht nur Punks und Ausländer, sondern auch Passanten an. Eine Besonderheit der Übergriffe ist, dass sie meist in losen Verbänden und spontan erfolgen. Laut Beobachtungen aus der linken Szene ist das Bayernzelt auch schon in den Jahren zuvor ein beliebter Treffpunkt der rechten Szene auf dem Kramermarkt gewesen.

Jens Fliege