■ Klaustrophobische Idyllen: Arbeiten von Eva Castringius in der Galerie Kunstruimte

Zwei winzige Männchen aus Plastik sitzen zusammen in einem zwergenhaften Wohnzimmer und sehen fern. Er sieht blass aus, sie hat ein Männergesicht und wüst toupiertes Haar. Um sie herum steht sorgsam arrangiertes Puppenstubeninventar, ein Brettchen mit einem aufgeklebten Plastikcroissant, Brot und Messer, aber auch Dinge wie Schnapsfläschchen, Energiesparlampen und Salbentuben.

Eva Castringius hat für ihre Fotoarbeiten aus großformatigen Cibachromes ein häusliches Glück nachgestellt, das es nicht gibt: Sie bildet ein Paar in seinen vier Wänden ab, wo es zusammen isst, trinkt und die gute Stube vollkotzt. Wo der Mann vom Klo aus melancholisch den Blick durchs milchverglaste Fenster in die Ferne schweifen lässt, während sie den Holzfurnierlinoliumboden mit Kratzschwämmchen putzt.

Ihre Welt wirkt improvisiert wie beim Kinderspiel und hässlich authentisch wie im Schweinestall eines abgewrackten Paares mit großen Träumen und kleinem Budget. Die winzigen Räume sind ausgeleuchtet wie beim Fotografen. Die Bilder haben eine schmale Tiefenschärfe, die wie eine Demarkationslinie durch die Fotos läuft. Einige Gegenstände sind unscharf, verlaufen wie dekorative Farbkleckse im Ölbild, andere treten aus dem Bild heraus und verlieren ihre Relation zur Umwelt.

Es ist wie bei Astrid Lindgrens Märchen vom Nils Karsson-Däumeling, in dem sich mit dem Losungswort „killevipps“ ein Fleischkloß in ein ganzes Abendessen und eine Geleeschale in eine Badewanne verwandeln kann. Es ist aber auch wie bei der Puppe Olimpia in E.T.A. Hoffmanns Sandmann, die mit dem richtigen Blickwinkel menschlichere Züge trägt als jedes Mädchen aus Fleisch und Blut.

Eva Castringius begibt sich zurück in eine Spielwelt, die nicht mehr wahr ist, in der sich die alles andere als niedlichen Dinge und künstlichen Wesen ganz neu ordnen, Eigenleben entwickeln oder sich selbstverständlich in Zusammenhänge fügen, in die sie nicht gehören: eine klaustrophobische Idylle, ganz echt, ganz unecht.

In ihrer Ausstellung „Superworld“ in der Galerie Kunstruimte ist in einem zweiten Raum Malerei von Eva Castringius ausgestellt, die passend zur Fotografie ebenso idyllisch wie verstörerend ist. Auch hier geht es um Klischees, die über sich selbst hinauswachsen: Familien aus dem Quelle-Katalog, die ihre Geschichten in ihre Klamotten gestickt tragen: Frauen in Dirndln mit gelben Vampirgesichtern, die ihre Kinder liebevoll halten, zehnjährige Vorstadthooligans, Poser mit brutal erwachsenen Grimassen, gestellt, entlarvend und total rätselhaft.

Mit Eva Castringius hat sich die Galerie Kunstruimte eine junge Berliner Künstlerin ins Haus geholt, womit sie eine Neuorientierung kennzeichnet: 1996 als „Tochtergalerie“ und Dependance zur Galerie Kunstruimte in Holland, Kampen, gegründet und gefördert, hatte die Kunstruimte in Berlin 24 Projekte auf die Beine gestellt, an der 230 Künstler aus Holland und Deutschland beteiligt waren.

Neben einer Beteiligung am von der Akademie der Künste veranstalteten „somnambiente“-Festival vor drei Jahren waren in den rohen, alten Räumen mit Blick auf den lauschigen Hinterhof der Sophiensæle verstärkt Foto- und Videoinstallationen zu sehen. Es gab eine „Holländische Welle“, eine Ausstellung mit kleinformatigen Exponaten von 141 holländischen Künstlern, deutsch-holländische Ausstellungskonzepte wie „New Age Dada“ und „Criss Cross“, in dem die Künstlergruppe Sublunar & Beyond, Dominik Bausinger und Jop Hors in Berlin und Kampen an zwei parallel entstehenden Werken arbeiteten, die Berliner Galerie mit Holzparkett ausstatteten, einen Schiffsmast aufstellten oder Verpackungsmaterial von der Decke baumeln ließen.

Doch Kunstruimte wird es so bald nicht mehr geben, die Galerie wird einen anderen Namen bekommen und sich in Zukunft immer mehr auf Berliner KünstlerInnen wie Eva Castringius konzentrieren. Susanne Messmer