■  Vier Politikerkids, die erstmals ihre Stimme für das Abgeordnetenhaus abgeben dürfen, kritisieren den Wahlkampf in Berlin. Ein Gespräch über Jugendpolitik, alte Politiker und Wählen ab 16

uf den Wahlplakaten ist der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen wie die Schauspielerin Franka Potente als Lola durch Berlin gerannt, um der CDU ein jugendlicheres Image zu verpassen. Hat Ihnen diese Werbekampagne gefallen?

Anne Wieland: Ehrlich gesagt finde ich, dass das eine gelungene Kampagne ist. Sie ist ansprechend, weil Diepgen sympathisch und nett rüberkommt. Bei mir hat die Kampagne natürlich keine Chance, weil mir eingehämmert worden ist, dass die Grünen besser sind.

Eingehämmert?

Wieland: Nein, aber ich halte meinen Vater für einen intelligenten Menschen. Wenn er mir etwas erklärt, leuchtet mir das meistens ein. Ich bin zwar für Rot-Grün, aber Walter Momper kann ich persönlich überhaupt nicht leiden. Diepgen macht auf den Plakaten einfach eine bessere Figur.

Alexander Harnisch: So ganz ohne Inhalte kann man aber doch keine Werbung machen. Inhalte sind in der Politik viel zu wichtig. Einen Personenkult wie in den USA finde ich falsch.

Philipp Kittelmann: Stimmt. Wenn Diepgen läuft, dann macht die CDU damit noch keine Aussage. Das sagt ja nichts über die Partei. Aber das ist egal, denn im Wahlkampf versprechen die Parteien sowieso Sachen, die sie dann nicht tun.

Welche Themen sind Ihnen wichtig? Kommen sie im Wahlkampf vor?

Harnisch: Die Probleme von Jugendlichen kommen im Wahlkampf kaum vor. Dabei gibt es besonders im Osten sehr viele Probleme. Die Jugendlichen agieren gewalttätig, gerade in den Neubaugebieten.

Alica Rusta: Ich finde es auch wichtig, dass es ausreichend Ausbildungsplätze gibt. Die Jugendlichen sollten von den Politikern informiert und angesprochen werden, auch in der Schule.

Reden Sie in der Schule über die Wahlen?

Rusta: Bisher noch nicht.

Wieland: Ich finde, in der Schule wird zu wenig dazu gemacht. Wir haben während der Bundestagswahl in Politische Weltkunde Parteiensysteme in Deutschland durchgenommen. Deshalb haben wir darüber geredet, aber das war in der 13. Klasse. Nach 13 Jahren zum ersten Mal über Politik zu diskutieren, das ist zu wenig.

Kittelmann: Meine Lehrerin war ziemlich engagiert. Wir haben so viel diskutiert, dass wir kaum den normalen Stoff geschafft haben. Allerdings gab es bei mir in der Klasse auch einige, die in verschiedene Parteien eingetreten sind.

Harnisch: Jugendpolitik heißt aber auch, dass es junge Politiker gibt. Und damit sieht es doch ganz schlecht aus.

Sind die Politiker also zu alt, um Ihre Interessen zu vertreten?

Harnisch: Ich bin mir nicht sicher, ob die überhaupt wissen, was unsere Interessen sind. Ich habe es noch nie erlebt, dass mal jemand nachgefragt hat. Ich habe immer nur mitbekommen, dass was geschlossen wird, dass es keine Unterstützung gibt. Wir haben zum Beispiel ein Schülerradio gemacht, das wurde ohne Erklärung eingestampft.

Rusta: Ich finde, dass das Alter der Politiker eigentlich egal ist. Sie müssen aber an die Schulen gehen und Kinder und Jugendliche fragen, was ihre Probleme sind, was sie gerne verändern würden. In meiner Schule ist das noch nie passiert.

Kittelmann: Wenn Schüler Politiker einladen, dann kommen sie oder sagen zumindest ab. Meine Mutter ist öfter bei solchen Veranstaltungen gewesen.

Glauben Sie denn, dass es überhaupt Interesse an Ihren Wünschen und Problemen gibt?

Wieland: Das ist schwierig, weil Jugendliche ja zum größten Teil noch keine Wähler sind. Vielleicht wird deshalb mit Schulpolitik so wenig Wahlkampf gemacht und bei den Schulen gekürzt, obwohl es schon viel zu wenig Lehrer gibt. Auf den Plakaten geht es jetzt ja um mehr Arbeit und mehr Ausbildungsplätze. Ich glaube nicht, dass die Politiker nicht wissen, wo die Probleme liegen.

Rusta: Ich glaube nicht, dass es an fehlendem Interesse liegt. Das ist bestimmt nur wieder eine Geldfrage.

Harnisch: Jugendliche sind eben noch keine Wähler. Dabei wird so viel Geld zum Fenster rausgeschmissen, im Regierungsviertel zum Beispiel.

Kittelmann: Das ist aber wichtig. Hauptstädte müssen beeindruckend sein. Deshalb sind die USA auch so erfolgreich. Wenn man also durch ein beeindruckendes Regierungsviertel erreichen kann, dass es Deutschland wirtschaftlich besser geht, dann gibt es irgendwann ja wieder mehr Geld – auch für die Jugend.

Sie meinen also, dass Ihre Bedürfnisse ausreichend berücksichtigt werden?

Kittelmann: Ja. Das kommt sicher auch daher, dass ich aus Zehlendorf komme, einem Bezirk, dem es extrem gut geht. Jugendclubs gibt es da zwar nicht, aber man hat das Geld, um dahin zu gehen, wo man will.

Wieland: Ich finde Jugendarbeit wichtiger, als die Stadt pompös aussehen zu lassen. Die Jugendlichen sind ja die, die erwachsen werden. Es ist wichtig, dass bei ihnen nicht schon in der Kindheit und Jugend große Probleme entstehen. Mir geht es nicht um Jugendclubs, sondern darum, dass die Schulen besser ausgestattet werden. An meiner Schule hat vorne und hinten Geld gefehlt, da geht die Bildung doch verloren.

Rusta: Natürlich merkt man überall, dass Geld fehlt. Aber solange die Schüler was lernen und die Toiletten in Ordnung sind, finde ich das in Ordnung. Dass auch in der Schule gespart werden muss, ist doch klar.

Können sich die Politiker erlauben, noch mehr zu sparen?

Rusta: Alle Schüler brauchen Schulbücher auf dem neusten Stand. Das ist aber oft nicht mehr so. Und die Toiletten und die Turnhalle sollte man benutzen können, weiter kann man nicht sparen. In meiner Schule, dem Goethe-Gymnasium in Wilmersdorf, waren die vor zwei Jahren noch in katastrophalem Zustand. Jetzt sind sie ganz gut renoviert.

Kittelmann: Mein Bruder war auch auf dem Goethe-Gymnasium, deshalb hat sich meine Mutter da sehr engagiert. (Gelächter) Aber das Arndt-Gymnasium, auf dem ich war, ist schon lange eingerüstet, wegen der Absturzgefahr von Ziegeln vom Dach. Aber das Geld, um das Dach neu zu decken, fehlt.

Würde sich etwas verändern, wenn Jugendliche schon ab 16 wählen dürften?

Rusta: Das Wahlergebnis wird sich wahrscheinlich gar nicht ändern, weil die meisten 16-Jährigen wählen würden, was ihre Eltern gut finden. Vielleicht würden sie sich aber mehr für Politik interessieren.

Harnisch: Ich finde, das sollte man auf jeden Fall mal ausprobieren. Wenn es nicht klappt, kann man es ja wieder zurücknehmen.

Kittelmann: Ich glaube nicht, dass die Kinder das wählen, was die Eltern wählen. Vielleicht ist das bei uns so, weil unsere Eltern Politiker sind, aber generell ist das nicht so. Wir haben mal in der Schule eine Probewahl gemacht, da war die CDU zwar vorne, aber dann kamen schon die Grünen, noch vor der SPD. So stimmen die Erwachsenen doch nicht ab.

Sind Sie für das Wahlrecht schon ab 16 Jahren?

Kittelmann: Ich bin dagegen. Leute unter 18 lassen sich zu leicht von etwas beeinflussen, was ihnen irgendwo gesagt wird.

Wieland: Ich hätte mit 16 das gewählt, was meine Eltern oder meine Freunde wählen. Vielleicht bin ich ja weniger an Politik interessiert als andere, aber ich glaube, Philipp Kittelmann hat recht. Je älter man wird, desto besser kann man sagen, was man selber meint. 18 ist in Ordnung, finde ich.

Jugendstudien sagen, dass Leute in Ihrem Alter eher an Umweltschutz oder Menschenrechten, aber nicht an Parteienpolitik interessiert sind.

Rusta: Immer dasselbe, wie Umweltschutz, fände ich langweilig. Bezirkspolitik finde ich besser. Da ist man nah dran und kann was verändern, wenn man mitmacht, und sich in verschiedenen und nicht nur einem Bereich engagieren.

Sind Sie denn aktiv?

Rusta: Ich geh ab und zu mal zu den Jusos.

Wie ist es bei den anderen?

Wieland: Mich interessiert Politik zwar, aber es gibt Wichtigeres.

Harnisch: Ich war früher mal in der PDS, mein Vater hat mich schließlich sehr geprägt. Aber ich habe aber auch gemerkt, dass man als Einzelner nicht viel bewegen kann

Herr Kittelmann, sind Sie in der CDU?

Kittelmann: Ich bin kürzlich eingetreten, weil es nicht reicht, nur sein Kreuzchen zu machen. Ich habe aber gar keine Zeit, Politik zu machen, weil ich vom Hockeyspielen schon so eingeschränkt bin. Ich helfe höchstens meinem Vater im Wahlkampf, transportiere Plakate und hänge sie auf. Aber mich auf die Straße stellen und erklären, warum die CDU besser ist als die SPD, das will ich noch nicht.

Können Sie sich eine Politikkarriere wie die ihres Vaters vorstellen?

Kittelmann: Auf keinen Fall. Mein Vater ist ja 20 Jahre lang gependelt und war nur am Wochenende in Berlin. So stelle ich mir mein Leben nicht vor.

Diskutieren Sie mit Ihren Eltern, Herr Kittelmann?

Kittelmann: Ich habe viel von ihnen übernommen. Ich bin ja schon als Fünfjähriger mit meinem Vater auf Wahlveranstaltungen gewesen. Landowsky und Diepgen waren öfter bei uns zu Hause. Wir haben ja kaum eine andere Meinung mitgekriegt.

Ist das bei den Grünen genauso, Frau Wieland?

Wieland: Natürlich hat mich die Lebensweise meiner Eltern beeinflusst. Aber über Politik geredet haben wir nicht viel. Aber ich finde es gut, was mein Vater macht.

Auch den Werbespot, mit dem er jetzt nackt im Kino zu sehen ist?

Wieland:(lacht) Das war mir etwas peinlich, dass ausgerechnet er in der ersten Reihe steht. Er ist ja nicht unbedingt schlank und durchtrainiert. Im ersten Moment dachte ich, o Gott, zum Glück steht sein Name nicht darunter. Aber irgendwie finde ich es auch gut, was er macht. Moderation: Julia
Naumann und Sabine am Orde