Humanitäre Einsätze erfordern eine Neudefinition des Militärs

Erst Kosovo, jetzt Osttimor: Deutschland erfüllt in atemberaubendem Tempo die Forderung, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Und das auch in militärischer Hinsicht. Dass gerade eine rot-grüne Regierung in diese Rolle gedrängt ist, mag noch hin und wieder Schmunzeln hervorrufen. In den Debatten um die Neubestimmung der Außenpolitik und damit auch der militärischen Rolle Deutschlands zeigt sich jedoch, dass von einem deutschen Alleingang keine Rede sein kann.Die Regierung beugt sich lediglich den Anforderungen und Erwartungen, die an sie gestellt werden.

Indem im Kosovo ein deutscher General das Oberkommando der KFOR-Truppen übernimmt, wird angezeigt, dass Deutschland jetzt endgültig integraler und gleichberechtigter Partner der westlichen Allianz geworden ist und bei den Entscheidungen über die Zukunft der Nato oder anderer Sicherheitssysteme ein gewichtiges Wort mitzureden hat.

Jetzt ist eine Neubestimmung der westlichen Militärdoktrin nötig. Denn die Einsätze bei humanitären Interventionen sprengen die bisher bekannten Tätigkeitsfelder der Armeen. Zwar wird auch weiterhin ihre Zerstörungskraft gebraucht, um Angreifer und Menschenrechtsverletzer – wie im Falle Jugoslawiens – in die Schranken zu weisen oder – wie im Falle Indonesiens – ohne direkten Militäreinsatz zum Einlenken zu zwingen. Im Kosovo zeigt sich jedoch noch eine andere Aufgabe, die jetzt bewältigt werden muss. Die KFOR-Truppen sollen sich mit ihrem Auftreten nicht nur als übergeordnete Macht Respekt verschaffen. Die Soldaten sind dazu aufgerufen, völlig neue Aufgaben zu übernehmen. Wenn Militärs Schulen aufbauen und Kindern mit Malwettbewerben die Gefahr der Minen verdeutlichen, dann sind Beispiele für eine Neudefinition ihrer Arbeit gesetzt, die überraschen müssen: Sie arbeiten als Pädagogen, Polizisten, Aufbauhelfer, medizinische Versorger, kurz: sie lösen Aufgaben, die eigentlich internationalen Hilfsorganisationen zukommen und für die sie nicht ausgebildet sind.

Der Debatte, ob Deutschland an internationalen Einsätzen teilnehmen darf, muss jetzt eine über das „Wie“ folgen. Wie muss ein Militär aussehen, das diese Aufgaben in Zukunft und wahrscheinlich in vielen Teilen der Welt bewältigen kann? Wie kann der Umbau der Armeen kostengünstig und effektiv gestaltet werden? Fantasie wird jetzt von allen verlangt – vor allem aber von den Soldaten selbst.

Erich Rathfelder