Waffenschieber und Strauß-Spezi Karlheinz Schreiber kann durch taktischen Schachzug der Ermittler nun auch wegen Steuerhinterziehung angeklagt werden  ■   Von Klaus Wittmann

Toronto/Augsburg (taz) – Seit vier Jahren sind die Ermittler der Augsburger Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität dem Kaufmann und Waffenschieber Karlheinz Schreiber, 65, aus dem oberbayerischen Kaufering auf den Fersen. Im schweizerischen Pontresina bei St. Moritz wähnte sich der einstige Strauß-Intimus jahrelang sicher, da bekanntlich die Schweiz wegen Steuerdelikten nicht ausliefert. Und wegen Steuerhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe wird Schreiber im Zusammenhang mit Panzer- und Flugzeuggeschäften gesucht. Nach einem seiner „Geschäftspartner“, dem Ex-Rüstungsstaatssekretär und einstigen Verfassungsschutzchef Holger Pfahls (CSU), wird ebenfalls per internationalen Haftbefehl gefahndet. Aus dessen Haftbefehl wiederum resultierte am 2. September ein neuer Haftantrag gegen Schreiber, und der ließ für den einstigen Teppichhändler die Luft in der vermeintlich sicheren Schweiz immer dünner werden.

Um den nun folgenden ermittlungstaktischen Schachzug nachvollziehen können, muss man sich etwas mit den Geschäften des Karlheinz Schreiber befassen. Exemplarisch dafür ein Dreiecksgeschäft, bei dem es um die Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien ging und zwar während des Golfkonflikts.

Die Saudis wollten von Thyssen-Henschel 36 Spürpanzer des Typs „Fuchs“. Die Rüstungsschmiede freilich war nicht in der Lage, diese so schnell zu liefern, wie das die arabischen Partner wollten. Hier nun trat der Vermittler Schreiber, ein enger Vertrauter des einstigen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, auf den Plan. Für das 400-Millionen-Gechäft sollen immerhin 188 Millionen Mark an Schmiergeldern geflossen sein. Verständlich wird das, wenn man bedenkt, dass sich im Bundessicherheitsrat der damalige Außenminister Genscher vehement gegen die Panzerlieferung an die Saudis ausgeprochen hatte.

„Bei unseren Ermittlungen hat sich herauskristallisiert, dass Herr Schreiber den früheren Verteidungsstaatssekretär Pfahls bestochen hat, und zwar mit einer Summe von 3,8 Millionen Mark“, berichtet Oberstaatsanwalt Nemetz. Der Politiker soll daraufhin erreicht haben, dass die 36 Panzer aus Bundeswehrbeständen an Saudi-Arabien geliefert wurden. Später produzierte Thyssen-Henschel die Panzer peu à peu nach und lieferte sie quasi zurück an die Bundeswehr. Zwei Ex-Thyssen-Manager sind, wie berichtet, in diesem Zusammenhang im Mai verhaftet worden. Sie sollen von Schreiber 12,5 Millionen Mark an „Provisionen“ erhalten haben.

Hier nun beginnt der Schachzug der Augsburger Ermittler gegen den Waffenschieber Schreiber zu greifen. Auf der Basis der Haftbefehle gegen die beiden Manager und gegen Pfahls wurde ein zweiter, erweiterter Haftbefehl gegen Schreiber erlassen. Darin geht es nicht mehr „nur“ um Steuerhinterziehung (rund 25 Millionen Mark), sondern auch um Bestechung sowie Beihilfe zur Untreue und Beihilfe zum Betrug. Das aber sind Delikte, die die Schweiz praktisch zur Auslieferung zwingen.

Dass die Augsburger Staatsanwaltschaft das Auslieferungsverfahren mit dem Nachbarland zunächst aber nicht sonderlich intensiv betrieben hat, liegt daran, dass im Falle einer Überstellung nach Deutschland der viel gesuchte Schreiber „nur“ wegen der drei neu hinzugekommenen Delikte hätte angeklagt werden können, nicht aber wegen des Hauptdelikts der Steuerhinterziehung. Die Augsburger Fahnder ließen sich auf ein brisantes Pokerspiel ein.

Durch den neuen Haftbefehl drohte Schreiber die Auslieferung nach Deutschland. Da lag der Gedanke eines Standortwechsels nahe, und welches Land wäre mehr in Frage gekommen als Kanada? Schließlich besitzt Schreiber nicht nur die deutsche, sondern auch die kanadische Staatsbürgerschaft. Seine Anwälte hätten ihn eindringlich vor diesem Schritt gewarnt, heißt es. Gleichwohl setzte sich Schreiber am 10. Mai nach Kanada ab. Doch seit Juni 1999 wird laut kanadischem Recht auch wegen Steuerdelikten ausgeliefert.

Wussten das die Augsburger Ermittler, die permanent Schreibers Telefone abhörten, und haben sie gar darauf gesetzt, dass Schreiber aus der Schweiz nach Kanada „türmt“, wenn sie die Schlinge durch den zweiten Haftbefehl etwas enger ziehen? „Da sage ich ganz offen Ja“, so Oberstaatsanwalt Nemetz. Anfang September wurde Schreiber in einem Hotel in Toronto verhaftet. Wenig später kam er allerdings unter erheblichen Auflagen nach Zahlung einer Kaution in Höhe von 1,6 Millionen Mark wieder auf freien Fuß. Gebürgt hatten für ihn hochrangige kanadische Ex-Politiker und sogar der einstige Generalstaatsanwalt des Landes.

Was aber wäre gewesen, wenn Schreiber seinen Anwälten gefolgt und nicht nach Kanada geflüchtet wäre? Auch dafür hatten die Ermittler vorgebaut. „Irgendwann wäre uns die Zeit davongelaufen“, räumt Reinhard Nemetz ein. „Dann hätten wir in Kauf nehmen müssen, dass wir Herrn Schreiber aus der Schweiz ausliefern lassen müssen, wohl wissend, dass wir ihn dann nur wegen dem kleineren Teil der Vorwürfe verfolgen können.“

Ob nun freilich Kanada dem Auslieferungsersuchen der deutschen Behörden tatsächlich nachkommt, ist noch immer die Frage. Das umfangreiche Auslieferungsdossier ist jedenfalls dieser Tage nach Toronto geschickt worden; detaillierter begründet als ein deutscher Haftbefehl. Für Mitte Oktober ist eine richterliche Anhörung in Kanada vorgesehen.