Hamburgs traurigster Schornsteinfeger

■ Die Blue Devils unterliegen im Finale um die 21. German Bowl den Braunschweig Lions 25:24

Normalerweise weiß Timo Erbs, was er zu tun hat. Der Kicker der Hamburg Blue Devils kommt nach jedem Touchdown auf das Feld, um das Lederei mit einem kräftigen Tritt zwischen die beiden Torstangen zu dreschen und damit einen Extrapunkt zu erzielen. Um diese Aufgabe zu erfüllen schießt er sich vorher warm. Mehrmals tritt er den Football in ein Netz, das an einem Stahlgestänge am Spielfeldrand aufgestellt ist. An den Rohren klebt normalerweise mit Leukoplast, was er zu tun hat. Nur am Samstagabend nicht, beim Spiel um die 21. German Bowl, der Meisterschaft im American Football.

Den Knöchel gerade halten, den Ellenbogen strecken, Explodieren und: den Kopf unten halten. Das sind die Anweisungen, die der gelernte und praktizierende Schornsteinfeger sich notiert hat. Tausende von Kicks hat er schon ausgeführt. Erbs traf immer, mit seinen Punkten hat er seinem Team schon oft den Sieg gesichert. Nur am Samstagabend nicht.

In den ersten drei Vierteln des Spieles waren die blauen Teufel ihren ewigen Kontrahenten, den Braunschweig Lions, unterlegen. Mit 25:10 führten die Niedersachsen und hätten das Finale locker nach Hause bringen müssen. Doch nach einer gewaltigen Steigerung im letzten Viertel, zwei Touchdowns der Hamburger und einer Conversion, die zwei Punkte bringt, stand es plötzlich nur noch 24:25. Erbs hatte die Chance, durch den Extrakick auszugleichen. Kurzer Anlauf, harter Schuss.

Ein Football fliegt sehr ungewöhnlich. Er eiert durch die Luft und wirkt abwechselnd schneller und langsamer. So auch dieses Mal, vier Minuten vor Schluss der Partie. Und wenn er gegen den Pfosten prallt, verliert er alle Energie und scheint an der Stange abwärts zu rutschen. So wie am Samstagabend.

Für Erbs brach eine Welt zusammen. „Ich war mir zu sicher, deshalb habe ich nicht mit dem letzten Risiko geschossen. Das war ein Fehler“, erklärte der 31-Jährige deprimiert. Axel Gernert stärkte seinem Kicker den Rücken: „Natürlich tut dieser Fehler weh. Aber es war Timo, der uns gegen Kiel mit seinem Fieldgoal in letzter Sekunde dieses Endspiel erst ermöglicht hat“, erinnerte der Devils-Präsident an vergangene Matches.

Meist hatte Timo Erbs nach solchen Spielen seinen Kopf oben. Entgegen seinen eigenen Anweisungen. Nur am Samstagabend nicht. Eberhard Spohd