Und noch'n Brecht/Weill-Abend

■ Die in Bremen aufgewachsene Sängerin Lara-Sophie Milagro stellte ihr Programm „The Crimes of Mac the Knife“ vor

Besonders originell ist es nicht, noch einen Liederabend mit Texten von Bertolt Brecht und den Musiken von Weill, Dessau und Eisler zu geben. Es sollte der 1974 geborenen und in Bremen aufgewachsenen Sängerin Lara-Sophie Milagro zu denken geben, dass sich kaum jemand aus ihrer Generation im Schnürschuh-Theater zu ihrem Programm einfand. Viele aufrechte Altlinke waren hergepilgert (ein Sitznachbar kannte Schröder noch „aus Stamokap-Zeiten“!). Natürlich wartete man auch hier auf „die Stellen“ („die im Dunklen ...“, „zuerst das Fressen ...“ usw.) und schien getröstet, dass alle noch da waren.

Lara-Sophie Milagro und ihre Band teilten die Songs fein säuberlich in Lektionen ein und trugen sie in der traditionellen Brecht-Manie vor – also in einer Mischung aus strengem klassischem Gesang sowie expressionistischen Betonungen und Gesten. Musikalisch beherrschte die junge Performerin das Material souverän, bei der Darstellung spürte man allerdings immer die Anweisungen des Regisseurs Peter Craze, der sich sehr angestrengt haben muss, um zu jeder Textzeile die passende Haltung, Bewegung oder Requisite zu finden. So arbeiten ja alle Performer – nur wenn das Publikum es merkt, ist der Wurm drin.

Und natürlich musste eifrig verfremdet werden: So spielte der Pianist Rupert Damerell zuerst einmal mehrere Minuten lang Bach, später noch „O Tannenbaum“, Mozart und Chopin. Die Kontrapunkte wurden so mit dem Hammer gesetzt, und über den Vorführenden sah man eine Diashow (das Klinken des Projektors war störend laut) der Fotografin Mickey Lee, bei der auch heftigst nach ironisch-überraschenden Bezügen gesucht wurde. Wenn der Text von Salomon, Kleopatra und dem König erzählte, wurden dazu Fotos von Einstein, Lady Di und Bill Clinton eingeblendet. Aha! Und zum Thema Proletariat sah man zuerst nur Bilder von barockem Prunk. Ach so! Milagro zog sich zu jeder Lektion um: als Hure aufreizend, beim „Historischen“ mit Kopftuch und barfuß – alles einen Hauch zu plakativ.

„Die Ballade von Mackie Messer“ wurde nur kurz angespielt, der Titel des Abends war also leicht irreführend! Am überzeugendsten waren noch die Hits wie der „Alabama-Song“ oder „Surabaja Johnny“. Hier gelang es der in London ausgebildeten Lara-Sophie Milagro musikalische Technik und Emotion stimmig ineinander zu verschmelzen – wie schon Hunderten von Sängerinnen vor ihr! Und vielleicht ist das der endgültige, von Brecht bestimmt nicht gewollte Verfremdungseffekt dieser Lieder: Bei den Songs schwingen mit Lotte Lenja, Ernst Busch oder Jim Morrison immer die berühmten InterpretInnen mit. Wilfried Hippen