■ Wie Österreich auf die israelische Kritik an Haider reagiert
: Der Waldheim-Effekt

Die „roten Alarmglocken“, die Israels Premier Ehud Barak bei Haiders Wahlerfolg schrillen hörte, lösten auch in Wien Feuerwehraktionen aus. Da wird „entschieden zurückgewiesen“, Tatsachen werden zurechtgerückt, Proportionen relativiert, Spitzenpolitiker angerufen und beschwichtigt. Es sieht aus, als wäre das Wahlergebnis, das Haiders FPÖ satte 28 Prozent der Stimmen brachte, eine Kriegserklärung an den Rest der Welt oder zumindest an Israel.

Warum lassen sich Österreichs Politiker von unqualifizierten Äußerungen am Jordan so beeindrucken? Wenn selbst der Grünen-Chef sich bemüßigt fühlt, im Ausland zu versichern, die Österreicher seien keine Nazis, dann zeugt das für ein tief sitzendes kollektives Schuldgefühl. Dass Österreich das erste Opfer und nicht williger Mittäter Hitlers gewesen sei, wurde so lange behauptet, bis es Teil des österreichischen Selbstverständnisses geworden ist.

Trotzdem weiß jeder, wie es wirklich war, nicht nur damals beim Jubel für Hitler am Heldenplatz, sondern auch bei den Kriegsverbrechen, bei denen sich österreichische Offiziere besonders hervortaten. An die Opfer erinnert man sich immer dann, wenn jemand, der 1938 auswandern musste oder das KZ überlebte, den Nobelpreis bekommt oder mit einem Regie-Oscar ausgezeichnet wird. Diese Leute werden dann gern als Österreicher reklamiert.

Der letzte Staatsmann, der ein unverkrampftes Verhältnis zu Israel pflegen konnte, war Bundeskanzler Bruno Kreisky. Als Jude und ehemaliger Emigrant war er gefeit gegen Vorwürfe des Antisemitismus, als er in den Siebzigerjahren durch den Empfang von Jassir Arafat der Anerkennung der Palästinenserrechte die Tür öffnete. Damals war Österreichs eigene Vergangenheit noch kein Thema.

Spätestens seit der Waldheim-Affäre ist das vorbei. Die Aufarbeitung der dunklen Flecken in der Geschichte hat erst vor kurzem begonnen, aber bereits Spektakuläres bewirkt. Etwa, wenn die österreichischen Banken früher als die deutschen ein Arrangement in Sachen der arisierten Konten anbieten oder die staatlichen Museen ein paar Dutzend Gemälde und andere Kunstgegenstände aus den Rothschild-Beständen kampflos herausgeben. Den Vorwurf des zynischen Umgangs mit den Folgen der Rassengesetze und der Vernichtungspolitik will keiner auf sich sitzen lassen. Auch die heutigen Politiker, die allesamt nach 1943 geboren wurden, werden durch die Alarmglocken in Jerusalem in Panik versetzt. Ralf Leonhardt