Mehr argentinische Steaks auf europäische Teller

■ Europa soll die Grenzen für Lebensmittel öffnen, fordern die Länder Südamerikas

Buenos Aires (taz) – Wer von Buenos Aires die Nationalstraße nach Süden nimmt, hat eine eintönige Strecke vor sich. Die Straße zieht sich schnurgerade dem Horizont entgegen und scheint niemals aufzuhören. Selten sind die einsamen Tankstellen mit ihren spartanischen Cafés, umso häufiger die Weizenfelder und Kuhweiden. Die Region der Pampa gilt als die fruchtbarste Landwirtschaftsregion in Argentinien. Wer hier ein paar Körner Weizen auf den Boden wirft, so sagt man, kann morgen Weizen ernten.

Vor knapp einem Monat jedoch war Schluss mit der Idylle. Die Landbevölkerung probte den Aufstand. Trecker samt Anhänger und Pflug wurden quer auf der Fahrbahn geparkt – die Bauern machten die Straße dicht. Tagelang blockierten sie die wichtigen Versorgungsrouten, entzündeten Strohfeuer und kippten Äpfel und Weizen auf die Straße. Die Landwirtschaft des Agrarlandes Argentinien steckt in einer Krise. Niedrige Weltmarktpreise nagen an der Existenz so mancher Landbesitzer. Kleine und mittelgroße Betriebe haben kaum noch Überlebenschancen, nur die großen mit 500 bis 800 Hektar halten sich besser. Subventionen und abgeschottete Märkte in den entwickelten Ländern Europas und den USA verderben den Markt und den argentinischen Bauern ihre Preise.

Die Forderungen Argentiniens für die Millenniumsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) sind daher klar: Runter mit den Agrarsubventionen der entwickelten Länder, rauf mit den Importquoten für Agrargüter aus Entwicklungsländern. Damit würde der Zugang zum europäischen Markt für Weizen, Soja und Milchprodukte aus Argentinien erweitert.

Werden die in Europa mit Steuergeldern subventionierten Agrarprodukte zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt geschleudert, können Länder wie Argentinien nicht mehr mithalten. Etwa drei Millionen Tonnen Weizen exportiert Argentinien jährlich ins Nachbarland Brasilien. Vor wenigen Jahren bot Frankreich allerdings die Tonne Weizen für 40 Dollar an Brasilien an. Argentinien blieb außen vor, denn die Tonne argentinischer Weizen kostete gemäß Weltmarktpreis 100 Dollar. „Europa schützt nicht nur seine Märkte, sondern macht mit seinen Subventionen unsere Märkte kaputt“, sagt der Agrarberater Hans Ruwe.

Der Schutz der Märkte ist so strikt, dass selbst während der BSE-Krise die Einfuhrquote für Qualitätsfleisch nicht gelockert wurde. Sie erlaubt Argentinien die Einfuhr von 28.000 Tonnen Rindfleisch in die EU. Der argentinische Minister für internationale Wirtschaftsbeziehungen, Jorge Campbell, rechnete kürzlich vor, dass die Staaten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Jahr 1998 insgesamt 362 Milliarden für Agrarsubventionen ausgegeben hätten. Dadurch seien die Weltmarktpreise um 35 Prozent gesunken. Lateinamerika seien dadurch Einnahmen in Höhe von 200 Millionen Dollar entgangen.

Argentinien hat sich daher zusammen mit seinen Nachbarn Brasilien, Chile, Uruguay und Paraguay der Cairns-Gruppe angeschlossen, der auch Australien, Neuseeland, Indonesien und Südafrika angehören. Die Mitgliedsstaaten der Cairns-Gruppe haben einen Anteil von rund einem Fünftel der weltweiten Agrarexporte und verzichten weitgehend auf Subventionen. In das WTO-Treffen ziehen die Cairns-Länder mit zwei grundlegenden Forderungen: Sie werden nur über Freihandel diskutieren, wenn auch die Landwirtschaft thematisiert wird, und die Verhandlungen werden erst beendet, wenn in allen Fragen Übereinkunft erzielt wurde.

Eigentlich müsste auch die EU ein Interesse daran haben, dass Argentinien mehr Agrarexporte nach Europa verschiffen kann, findet Enrique Carrier, Außenhandelsexperte an der Börse von Buenos Aires. Schließlich „braucht Argentinien Devisen, um in Europa Industriegüter einzukaufen“. Die Position seiner Regierung ist simpel: „Wir wollen einfach nur, dass Agrarprodukte wie Industriegüter behandelt werden.“ Ingo Malcher