■ Kommentar
: Alte Rezepte für die neue Stadt  Die SPD bleibt in Berlin im Abseits

Die SPD hat wieder verloren. An Prozenten diesmal weniger; ja, sie hat das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit der letzten Berliner Wahl nur noch knapp weiter unterboten. Kein Anlass zur Erleichterung. Der Bundestrend ist nicht allein Grund für den Niedergang der Hauptstadt-SPD, der lang vor Eichels Sparpaket und dem Schröder/Blair-Papier begann. Ein Grund für die Stagnation ist, dass die SPD an der Spree schon seit Jahren nur noch als Verwalterin des Sparzwanges wahrgenommen wird und das Thema soziale Gerechtigkeit unbekümmert an PDS und CDU zu gleichen Teilen abgegeben hat. Damit hat die SPD die PDS als soziale Protestpartei stark gemacht. In innenpolitischen Fragen sind die SozialdemokratInnen längst kein ernst zu nehmender Gegenpol mehr zur reaktionären CDU. Und Themen wie eine aufgeklärte Kultur- oder Hochschulpolitik in der kulturellen Metropole haben die GenossInnen offenbar längst vergessen.

Der zentrale strategische Fehler der Berliner SPD war es, auf Momper und Rot-Grün zu setzen – ohne auch nur andeutungsweise sagen zu können warum. Der Versuch, aus dem Berliner Traditionsverein eine moderne Partei zu formen, erschöpft sich in technokratischem Spareifer. Wenn der SPD schon nichts anderes einfällt als Sparen – dann hätte sie besser mit dem blassen, aber soliden Kandidaten Böger auf die Fortsetzung der Großen Koalition gesetzt. Die Berliner SPD ist somit nicht das Opfer des Bundestrends geworden, sondern des eigenen törichten Versuchs, Rot-Grün als Sparprojekt zu etablieren. Sowohl Rot als auch Grün konnten so nur verlieren.

Zudem missrät der SPD, was der CDU gelingt: eine Antwort auf den epochalen Wandel Berlins zu finden. Neue Eliten in Politik und Wirtschaft strömen in die Stadt. Den Einzug dieser neuen Eliten hat die hiesige CDU längst als Chance begriffen. Eberhard Diepgens bräsiger Stil verstellt somit den Blick darauf, dass die CDU längst auf dem Weg zu einer modernen Großstadtpartei ist. Sie gilt als Hort sozialen Ausgleichs. Und zugleich verbindet die CDU ein Spektrum, in dem der ausländerfeindliche Kreuzberger und die neue kulturelle Elite eine Vertretung finden. Berlins CDU ist längst auf dem Weg in die reale Mitte der Gesellschaft. Die SPD hingegen wird dort, solange sie außer Sparen nichts anzubieten hat, nicht ankommen. Barbara Junge