Lila Pausen-Kontrolle

■ Wenn Witze ernst genommen werden: Kontrolliert Kraft Jacobs Suchard jetzt, was, wie viel und vor allem wie lange die MitarbeiterInnen des Konzerns essen?

Gediegenes Auftreten: Anzug, Krawatte. Stoppuhr in der Hand. So überfiel Oliver Huhn die MitarbeiterInnen in der Kantine von Kraft Jacobs Suchard. Und maß die vertane Zeit, die beim Schlange stehen oder der Auswahl am Salatbüffet draufging. „Pausenoptimierung“ war das Schlagwort, mit dem die „McKinsky Management & Enterprise“ antrat, das Kantinenverhalten genauer unter die Lupe zu nehmen. Um, wie in Flugblättern angekündigt, Konzepte zu entwickeln „wie Sie Ihre Pausen noch optimaler ausnutzen und die knappe Zeit noch sinnvoller für Angenehmeres verwenden können.“

Die Zeitkontrolle sorgte für Aufruhr in der kurzen Mittagspause: Eine Frau an der Salattheke brachten sie ganz durcheinander mit den Berechnungen für die Bedenkzeit, eine Avocado oder doch keine Avocado zu nehmen. „Ich bin doch nicht repräsentativ“, wehrte sie sich. „Ich brauche sonst nicht so lange“, erzählte sie Huhn, als er die Minuten zählte.

Außerdem löcherte man die Angestellten des Kaffee-Schoko-Riesen mit Fragebögen: „Warum machen Sie Pausen“, wollte „McKinsky“ zum Beispiel wissen. Und: „Mögen Sie Brahms“? Außerdem gab es vorsorglich einen praktischen Ratgeber: „Mit der Pause auf Du und Du“. Der versprach zehn goldene Tipps für richtiges Pausenverhalten.

Das Ganze war ein Gag. Aber was niemand ahnte: Der Gag wurde Ernst genommen. Nach kurzen 25 Minuten war der Spaß vorbei. Jemand vom Betriebsrat stoppte abrupt die Zeitkontrolle. „McKinsky“ durfte gehen.

Die Herren vom Zeitmanagement gehörten zur Kabarettisttruppe KaFeDaDa. Kraft Jacobs Suchards hatte das „Zeitprojekt“ mit verschiedenen Aktionen ins Haus geholt – als Gegenleistung für die Sponsoring-Gelder, die in die Waller Galerie des Westens (GaDeWe) flossen. Wir wollten „wachrütteln, einen Spiegel vorhalten, was in den Pausen passiert“, erzählt Huhn.

Gerechnet hatte KaFeDaDa aber eher damit, dass sie sofort durchschaut würden – „wir hatten das für sehr plakativ gehalten“. Aber die erwarteten Fragen nach der versteckten Kamera oder Kurt Felix blieben aus, erzählt Huhn. Stattdessen gab es handfeste Beschwerden beim Betriebsrat, der schließlich die ganze Aktion abblies. Auch beim Organisator Wolfgang Derks hatten sich Klagen über die Zeitkontrolle gehäuft: „Wer hat denn McKinsey reingelassen“, fragte so mancher Angestellter und fürchtete, dass es für das Schlange stehen demnächst „nur noch acht Minuten gibt, zum Essen nur noch drei“, erzählt Derks.

Das Ganze war ein „Kommunikationsloch“, sagt Wolfgang Derks heute. Es selbst war zur fraglichen Zeit nicht vor Ort, und nicht jeder vom Betriebsrat war vermutlich richtig informiert. Aber eigentlich hätte man es merken müssen, „wenn man die Infos und Fragebögen nur richtig gelesen hätte“, sagt Huhn. Flugblätter wurden nämlich schon am Tag zuvor verteilt. „Die hingen an den Türen und in jedem Fahrstuhl“, sagt eine Mitarbeiterin, die die Aktion total gut fand.

Gehakt hat es wahrscheinlich an der Zeit (die zu kurz oder falsch eingeteilt war), um die Infos zur „Betriebsablaufsunterbrechungs-studie“ richtig zu lesen. Denn schon im Fragebogen kollidierten Antwortmöglichkeiten rigoros mit den Fragen. „Sind Sie anonym?“ etwa ließ sich mit einem plausibel unerklärlichen „ja, nein, weiß nicht“ beantworten.

Auch die Tipps im Pausenratgeber sind echte Zeitsparknüller: „Während eines langweiligen Telefonats können Sie sich überlegen, was sie mit ihrer nächsten Pause anfangen wollen.“ Vom Zigarettenholen wird abgeraten: Stattdessen soll man beim gut erzählen Witz die Glimmstengel des Kollegen mopsen. Das spare nicht nur wertvolle Sekunden am Automaten, sondern auch Geld.

Trotz des unfreiwilligen Abbruchs waren die Kabarettisten letztlich zufrieden: „Eigentlich wollen wir Hobby-Dadaisten ganz gerne an der falschen Stelle Ernst genommen werden“, sagt Huhn. Herauskam für ihn eine „Studie des menschlichen Verhaltens“. Mit dem richtigen Anzug, dem Titel am Revers „stehen einem Tür und Tore offen“. Dann ist die Glaubwürdigkeit quasi mitgekauft.

Ein Nachspiel hatte das Ganze nicht. Denn auch beim Konzern sollen sich manche später „köstlich amüsiert“ haben. Und auch an höherer Stelle, berichtet Derks, soll das „positiv aufgenommen“ worden sein. pipe