Blick aufs monumentale Detail

■ Mit einer wunderschönen Retrospektive feiert das Landesmuseum Oldenburg den Fotografen Andreas Feininger

Feininger? Klar, das ist der expressionistische Maler mit Vornamen Lyonel, Meister am Bauhaus in Weimar. Noch ein Feininger? Klar, das ist auch ein bekannter Fotograf, Autor von mehr als 50 Fotolehrbüchern, fast 20 Jahre lang Starfotograf des legendären US-Magazins „Life“ – aber eben auch der Sohn des so berühmten Lyonel. Und das ist Andreas Feiningers Bekanntheitsgrad in Europa nicht unbedingt bekommen.

Obwohl seine populärsten Fotos heutzutage in jeder zweiten Yuppie-Wohnung als Poster hängen, gab es in Europa keine nennenswerte Ausstellung seiner Arbeiten. Erst als das Tübinger „Institut für Kulturaustausch“ in Zusammenarbeit mit dem damals 90-jährigen Feininger 1996 eine Retrospektive konzipierte, wurden mehr als 200, zwischen 1928-1988 entstandene Fotografien zu einer umfassenden Werkschau des 1908 in Paris geborenen und im Februar dieses Jahres in New York verstorbenen Fotografen zusammengestellt. Nach diversen Stationen in Deutschland, Italien, Luxemburg und Holland ist diese Ausstellung nun im Landesmuseum Oldenburg zu sehen.

Nicht nur der übermächtige Schatten des Vaters verhinderte lange eine angemessene Würdigung Andreas Feiningers. Der gelernte Kunsttischler und Architekt verstand sich nicht so sehr als Fotokünstler, sondern vielmehr als Pädagoge, der in seinen Lehrbüchern die Techniken der Fotografie zu vermitteln suchte. Dass Feininger dabei unübertroffen sein bester Schüler war, machen die wunderschönen schwarzweiß-Aufnahmen im Landesmuseum deutlich. Sie charakterisieren Feininger als virtuosen Formalisten, in dessen Bildern der strenge formale Aufbau und der Inhalt in perfekter Weise harmonieren.

Stadtansichten von New York und Naturmotive sind Feiningers bevorzugte Themen. Seine außergewöhnlichen Perspektiven – New York betrachtete er häufig durch das Teleobjektiv, während er für seine Insekten-, Muscheln-, Holz- und Blumenstudien oft die detailversessene, extrem nahe Einstellung bevorzugte – öffnen den Blick für ungeahnte geometrische Kompositionen. Ob er den überfüllten Strand von Coney Island oder das Gehäuse einer Sonnenuhrmuschel fotografierte: Feiningers Interesse galt der darin verborgenen Architektonik, die einer gigantischen Menschenansammlung ebenso wie einem winzigen Gehäuse als strukturierendes Formprinzip zugrunde liegt. Emphatisch feiern viele Aufnahmen die Monumentalität des Mikrokosmos, weiden sich an der strengen Schönheit von Häuserfassaden und schrecken im gleichen Augenblick angesichts gewaltiger Straßenfluchten und Verkehrswegen vor der Maßlosigkeit menschlichen Tuns zurück.

Auch als experimenteller Fotograf hat Feininger sich einen Namen gemacht. Die Ausstellung zeigt mehrere Akt- und Naturstudien, bei denen er schon in den 20er Jahren Verfahren wie Solarisation, Fotogramm oder Bas-Relief verwendete. Ob Frau an sich oder Eichenblatt an sich: Alles in der Welt ist in erster Linie eine gelungene Verbindung von Form und Funktion. Klingt zuweilen komisch an sich. Ist aber vor allem beeindruckend schön. An und für sich. zott

Bis zum 9. Januar 2000 zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen (39 Mark). Öffnungszeiten: Di-Fr 9-17 Uhr, Sa+So 10-17 Uhr. Infos gibt es unter 0441/220 73 00