Toter Oppositioneller, guter Oppositioneller

Ein Mitglied der Falun-Gong-Sekte wird Opfer der brutalen chinesischen Haftverhältnisse: Wie sogar ein offizieller Bericht zugibt, wurde Zhao Jinhua von der Polizei zu Tode geprügelt    ■ Aus Peking Georg Blume

In der einschüchternden chinesischen Propagandamauer rund um die Feiern zum 50. Gründungstag der Volksrepublik am 1. Oktober klafft seit gestern ein großes Loch: Dadurch sichtbar wird ein Polizeimord, wie er in China nur in den seltensten Fällen aufgedeckt wird – gerade weil die Misshandlung von Häftlingen systematisch zu sein scheint.

Opfer ist die Sektenanhängerin Zhao Jinhua, die Polizisten in der Provinz Shandong innerhalb einer Haftzeit von zehn Tagen zu Tode prügelten. Laut dem Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratie in Hongkong wurde Zhao kurz vor dem 1. Oktober festgenommen. Ihre Familie bekam erst wieder Nachricht von ihr, als sie – vergangenen Donnerstag – bereits tot war. Den Körper fand man übersät mit Schlagspuren.

Daß der Fall Zhao am Montag an die westliche Öffentlichkeit gelangte, ist zunächst ein gutes Zeichen. Anlass dafür gibt ein offzieller Autopsiebericht, der die Wahrheit sagt. Gleichwohl wirft der Fall ein erschreckendes Licht auf die Staatssicherheitskampagne gegen die buddhistisch-taoistische Sekte Falun Gong, deren Mitglied Zhao war, und die Repressionen rings um die Nationaltagsfeiern.

Im Vergleich zum Staatsterror früherer Jahre hatte das Vorgehen der Behörden gegen Mitglieder der im Juli verbotenen Falun-Gong-Sekte bisher eher als gemäßigt gegolten. Massenverhaftungen und Schauprozesse blieben aus, stattdessen wurde die Sekte, deren Lehre eine Mischung aus Meditation und Mystik darstellt, in den Medien verunglimpft. In manchen Polizeiquartieren aber mag dies ausreichen, um das alte, zu Mao-Zeiten weit verbreitete Klima ideologischer Hetzjagden wiederzubeleben.

Im Fall Zhao wird hinzukommen, daß die Sicherheitskräfte während der Feiern zum 1.Oktober unter besonderem Druck standen, jegliche Proteste zu unterbinden. Zhao hatte sich auch während der Haft zu ihrem Sektenglauben bekannt.

Das Problem ist nicht neu. Für ihre Unbeugsamkeit notorisch bekannt sind tibetische Nonnen und Mönche, die allen Umerziehungsversuchen in chinesischer Haft standhaft widerstehen. Berichte über ihre Mißhandlung und Folter in chinesischen Gefängnissen bezeichnet ein neuer Bericht der US-Regierung als „glaubwürdig“, wiewohl Peking prompt reagierte und seine Behörden für unschuldig erklärte.

Durch die Haftbedingungen ausgelöste Todesfälle in chinesischen Gefängnissen und den so genannten Umerziehungslagern (laogai) sind heute sehr selten. Doch stellen die oft menschenunwürdigen Haftverhältnisse in China ein zentrales Menschenrechtsproblem dar. Diese Kritik hat sich im Westen nicht zuletzt in Boykottaufrufen gegen chinesische Waren ausgedrückt, deren Herstellungsorte möglicherweise Gefängnisse und Lager sind.

Zwei amerikanische China-Forscher, James Seymour und Richard Anderson, haben sich vor einem Jahr mit einer ausführlichen Dokumentation der chinesischen Haftverhältnisse (New Ghosts, Old Ghosts, New York 1998) in die Diskussion eingemischt. Darin beschreiben sie Gefängnisse, die sich gerade durch wirtschaftliche Erfolge aus der Häftlingsmisere befreien konnten, während dort, wo nichts geschieht – z. B. in den Lagern der autonomen Region Xinjiang im Westen Chinas –, die Häftlinge mit Unterernährung und täglichen Gewaltausbrüchen kämpfen müssen.

Chinas Polizei nimmt Dissidenten fest

Peking (dpa) – Die chinesische Polizei hat in der Provinz Guangdong ein Mitglied der verbotenen Demokratischen Partei festgenommen. Über den Verbleib von Bai Xiaomao sei nichts bekannt, teilte eine in Hongkong tätige Menschenrechtsgruppe gestern mit. Wegen seiner Rolle bei den Studentenprotesten von 1989 hatte Bai acht Jahre Haft verbüßt.