Henkel sorgt für schlechtes Klima

In einem Brief an Schröder fordert der BDI-Chef Nachbesserungen beim Klimaschutzabkommen: Deutschland habe sich über den Tisch ziehen lassen, die Wirtschaft werde nicht berücksichtigt  ■   Aus Brüssel Daniela Weingärtner

Vor der heutigen Tagung der EU-Umweltminister in Luxemburg zur Umsetzung des so genannten Kioto-Protokolls zum Weltklimaschutz macht die deutsche Wirtschaft wieder Druck. Ziel: eine geringere Reduktionsquote für Deutschland beim Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid. In einem der taz vorliegenden Schreiben vom 17. September appelliert der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Olaf Henkel, an Bundeskanzler Gerhard Schröder, „darauf hinzuwirken, dass die unverhältnismäßige Belastung Deutschlands im Rahmen der EU-Lastenverteilung revidiert wird“. Deutschland müsse seine Unterschrift unter das Abkommen zurückhalten, bis eine Nachbesserung erreicht sei.

Nach einer EU-internen Einigung auf der Grundlage des Kioto-Protokolls darf Schweden mit Hinweis auf sein Kernenergie-Ausstiegs-Programm die Kohlendioxid-Emissionen um 4 Prozent steigern, während Deutschland sie um 21 Prozent reduzieren muss. In Kioto hatten sich die EU-Staaten verpflichtet, ihren Kohlendioxid-Ausstoß zwischen 2008 und 2012 um insgesamt 8 Prozent zu verringern. Nach Ansicht von Experten hat die anschließende EU-interne Absprache, die 1998 getroffen und dem Protokoll angehängt wurde, rechtsverbindlichen Status.

Henkel stellt das Abkommen jetzt grundsätzlich in Frage: „Die Vorsorge zur Verhinderung ... möglicher Klimaänderungen darf nicht auf ein rein ökologisches Problem reduziert werden. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soziale Verantwortung und Umweltschutz müssen in diesem Gesamtkontext als gleichrangige Ziele verfolgt werden.“ Die derzeit in der EU angestrebte Lastenverteilung beeinträchtige die deutsche Wettbewerbsfähigkeit. Komme es dann noch zu dem geplanten Ausstieg aus der Kernenergie, stehe Deutschland vor einer objektiv unlösbaren Aufgabe.

Auch über die interne Lastenverteilung zwischen Industriezweigen oder über die Frage, wie Emissionen in Grenzgebieten gemessen werden sollen, bestehe keine Einigung. Die deutsche Industrie habe sich 1995 schon selbst verpflichtet, bis 2005 20 Prozent Kohlendioxid einzusparen, und damit gezeigt, dass sie bereit sei, ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen. Diese Selbstverpflichtung müsse ins Kioto-Protokoll eingearbeitet werden.

Sollte die Bundesregierung sich die BDI-Position zu eigen machen und eine Nachbesserung verlangen, müsste das ganze Verhandlungspaket aufgeschnürt werden.

Bei der fünften Vertragsstaatenkonferenz vom 25. Oktober bis 10. November in Bonn, die auf dem EU-Treffen vorbereitet werden soll, sollen Einzelheiten geregelt werden, die vor allem die Frage betreffen, ob und wie die 170 Vertragsstaaten mit ihren Kohlendioxid-Emissionsquoten handeln dürfen.

Länder, die ihre Quote übererfüllen, sollen Zertifikate erhalten, die sie an die weniger vertragstreuen Länder verkaufen können. Die EU möchte erreichen, dass bis zu 50 Prozent der festgelegten Reduktion durch den Kauf solcher Zertifikate in gleicher Höhe entfallen können. Die USA möchte den Handel am liebsten ganz freigeben. Dann könnte ein Land sich im Extremfall komplett freikaufen.

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