Der Reichsbund will modern werden

Hilfe bei allen sozialpolitischen Fragen, denn Stammkundschaft stirbt aus  ■ Von Sandra Wilsdorf

Dem Reichsbund sterben die Mitglieder weg, und deshalb muss er moderner werden. Dazu gehört zunächst ein neuer Name: „Sozialverband Deutschland“ soll er demnächst heißen, und nur in der Unterzeile soll noch „ehemals Richsbund, gegründet 1918“ stehen. „Sozialverband beschreibt unsere Arbeit viel besser“, sagt Landesgeschäftsführerin Karin Wöhrmann. Denn wem beim Namen Reichsbund nur Kriegswitwen, Versehrte und andere Opfer des Krieges einfallen, ist noch auf einem jahrzehntealten Stand.

„Der Reichsbund wurde 1918 gegründet, um sich um die Kriegsopfer und deren Rechte zu kümmern“, erklärt Bodo Schümann, der zweite Landesvorsitzende. Nach dem ersten, aber auch nach dem zweiten Weltkrieg sei es um die Heimkehrer, aber auch um deren Familien oder Hinterbliebene gegangen. Inzwischen kümmert sich der Reichsbund um alle Fragen, die mit Sozialrecht zu tun haben.

Ein Beispiel: Jemand erhält einen Sozialhilfebescheid und ist davon überzeugt, zu wenig Geld zu bekommen. Diesen Verdacht kann er vom Reichsbund überprüfen und sich gegebenfalls bis zum Sozialgericht begleiten lassen. „Wir gewinnen etwa 50 Prozent der Prozesse“, sagt Karin Wöhrmann. Wird der Reichsbund tätig, muss der Ratsuchende allerdings Mitglied werden. Das kostet acht Mark im Monat und 30 bis 50 Mark, wenn es zu einem Widerspruch oder zu einem Gerichtsprozess kommt.

Der Verein hilft auch bei Rentenfragen, bei der Einstufung in die Pflegeversicherung und bei allen anderen sozialrechtlichen Problemen, die Rentner, Pflegebedürftige, Behinderte, Arbeitsunfallverletzte, Sozialhilfeempfänger und natürlich Hinterbliebene, Kriegs- und Wehrdienstopfer haben.

Bundesweit hat der Reichsbund 500.000 Mitglieder. In Hamburg sind es gut 17.000, ihr Durchschnittalter liegt bei 62. Es gebe drei Arten von Motivation für eine Mitgliedschaft im Reichsbund: „Da sind die, die finden, dass es außer Parteien und Kirchen noch andere Gruppen geben muss, die sich für die Rechte derer einsetzen, die sie selber nicht wahrnehmen können. Und dann sind da die, die sich benachteiligt fühlen“, erklärt Schümann.

Eine Befragung der Mitglieder hat nun ergeben, dass sie sich mehr Informationen über die Arbeit und mehr öffentlichkeitswirksame Aktionen wünschen. Die sollen sie bekommen. Es soll öffentliche Diskussionen zu sozialpolitischen Themen geben, aber auch Arbeit hinter den Kulissen: „Wir werden uns noch aktiver in die Sozialpolitik einmischen“, kündigt Schümann an.

Kapazitäten dafür soll eine Neustrukturierung der Arbeitsbereiche der 15 Angestellten des Hamburger Verbandes bringen. Neue Computer und eine bessere Auslastung aller Arbeitsbereiche sollen mindes-tens eine Stelle in der Verwaltung überflüssig machen, die dann für inhaltliche Arbeit in der Sozialpolitik genutzt werden soll.